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Ruth Rendell – Der Duft des Bösen

rendellEs gibt sie noch, diese Wörter, insbesondere Adjektive, die einem spontan in den Kopf kommen beim Lesen eines Buches, jene Wörter, die man noch nie zuvor zur Beschreibung eines Romans verwendet hat. Betulich ist eines dieser Wörter. Betulich scheint wie geschaffen für den Roman „Der Duft des Bösen“ von Ruth Rendell. Dabei soll es laut Zitat Patricia Cornwell ein „hintergründiger, abgründiger und tiefgründiger Roman der brillantesten Kriminalautorin unserer Zeit“ sein. Die Zeitschrift Brigitte schreibt sogar „Ruth Rendell steht seit dreißig Jahren für psychologisch raffinierte, gesellschaftskritische und literarisch anspruchsvolle Spannungsliteratur.“ Seit dreißig Jahren? Liegt hier der Grund für die Verwendung meines Adjektives verborgen?

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren, man sucht in ihren Romanen vergeblich nach forensischer Spurensicherung oder DNS Vergleichen. Liegt es am Fehlen dieser Elemente, dass der Roman dahinplätschert und jeglicher Spannung entbehrt? Arthun Conan Doyle und Alfred Hitchcock kamen auch ohne diese Elemente aus, und sind deren Geschichten vielleicht langweilig? Mitnichten.

Langweilig ist „Der Duft des Bösen“ nicht. Es ist eine betuliche Geschichte über die Bewohner eines Hauses, von denen jeder der gesuchte Mörder sein könnte. Schnell wird klar, wer dieser Mörder ist, doch das ansich scheint mir nicht das Problem der Handlung, die irgendwie keinen wirklichen Höhepunkt hat. Es gibt keinerlei Konflikte, die es zu lösen gilt. Man weiß sich zu jeder Zeit in einen ruhig dahinfließenden Strom. Es gibt saubere Dialoge, die jeglicher Fluchgebärden entbehren, niemand ruft mal „Scheiße!“, selbst die ermittelnden Kommissare wirken merkwürdig gesittet. Dann ist da noch der eigenartig politisch korrekte Ton, in dem die Geschichte erzählt wird, als es um die Beschreibung eines geistig zurückgebliebenden Protagonisten geht. Dieses Wort – geistig behindert – scheint zu Ruth Rendells Zeit ein Unwort gewesen zu sein, sie scheut sich jedenfalls, es zu verwenden. Worte wie „er hat einen an der Pann“ oder „behindert“ oder „geistig zurückgeblieben“ wird man ebenfalls vergeblich suchen. Letztendlich hat Ruth Rendell sich zu einem „minderbemittelt“ durchgerungen, was in meinen Ohren auch wieder seltsam, äh, betulich klingt.

Alles in allem ist „Der Duft des Bösen“ ein netter Roman. Ein wenig wie Jane Austen goes Krimi. Vielleicht liegt’s ja auch an der Übersetzung (ich kann’s mir nicht wirklich vorstellen), oder am Titel? Im englischen Original heißt der Titel „The Rottweiler“, was dann auch wieder irgendwie merkwürdig ist, denn dieser Titel führt darauf zurück, dass bei einer Ermorderten eine Bisswunde im Nackenbereich zu finden ist. Nun sollte man denken, wenn derartiges zur Titelgebung führt, sollte diese Thematik auch im Buch öfters vorkommen oder zumindest eine tiefere Bedeutung haben, doch nichts dergleichen. Der Biss wird kurz am Rande erwähnt und taucht auch bei späteren Morden nicht mehr auf, selbst als in die Psychologie des Mörders eingedrungen wird, wird nichts mehr von einem Verlangen, den Opfern in den Nacken zu beißen, berichtet.

Vielleicht bin ich auch einfach an den falschen Roman geraten. Im Klappentext heißt es immerhin, dass Ruth Rendell schon 30 Romane veröffentlicht hat (die Dame ist 79. Hüpfer nehmt euch ein Beispiel!), dreimal bereits mit dem Edgar Allan Poe Preis und 1997 mit dem renommiertesten Krimipreis, dem Golden Dagger Award, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben wurde. Irgendwas muss also dran sein an dieser grande old dame, aber mir blieb es verborgen. Last but not least denke ich mir, dass diese Auszeichnungen älteren Datums und der besprochene Roman von 2003 ist. Wie dem auch sei, es war nett und betulich, und ich bin froh, dass ich dieses Adjektiv mal verwenden durfte – ganz politisch korrekt natürlich.

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