Meine Verwandlung zur Bitterfotze hat viele Ursachen und ist langsam im Lauf meines Lebens vonstattengegangen. Aber nichts war so schmerzhaft, so schrecklich bitterfotzenbeschleunigend wie das Mutterwerden. Von allen Mythen ist der von der heiligen Mutterschaft der falscheste. Und er schmerzt am meisten.
Sara ist genervt von ihrem Leben. Als junge Mutter kämpft sie darum Familie und Karriere unter einem Hut zu bringen, ohne sich selbst dabei allzu sehr zu vernachlässigen. Sie möchte, wie sie selbst sagt den Kuchen behalten und gleichzeitig essen. Für ihr Kind da sein, es aber nicht allein lassen, Sport treiben, lesen und schreiben aber auch erfolgreich im Job sein.
Um ihr Gedankenchaos zu ordnen und dem schwedischen Januar zu entfliehen, entschließt sie sich für eine Reise nach Teneriffa. Allein.
Was folgt, ist eine Abhandlung von Paarbeobachtungen, Erzählungen aus ihrer Kindheit und Geschichten über ihr Mutterwerden- und sein, über ihre Ehe mit Johan und über gestresste und verbitterte – bitterfotzige – Frauen.
Der Roman ist flüssig geschrieben und man kann ihn kaum aus der Hand legen. Dennoch fehlt mir sowohl die Dramaturgie, als auch das typische Erzählen von Geschichten. Es scheint eher, wie eine Abhandlung löchriger Argumentationen und eine Beschreibungen ihrer Familienverhältnisse. An manchen Stellen ist es kaum ersichtlich, wer da spricht- die Protagonistin oder die Autorin selbst. Die Übereinstimmungen zwischen den beiden zeigen sich in dem Alter der beiden Frauen, ihrem Lebensraum, ihrem Beruf und auch in ihrer Familienkonstellation. Sara spricht allgemein für alle Frauen und erzählt nur stichpunkthaltig ihre eigene Geschichte. Ein gut verpacktes Sachbuch wäre sicher geeigneter und spannender, als dieses belletristisches Werk. Aber wahrscheinlich hat Sveland gewusst, dass ihre Fakten mager und ihre soziologischen Kenntnisse eher unzureichend sind.
Dieses Buch kann mehr für die Gleichberechtigung tun als alle Reden der Welt.
behauptet die schwedische Expressen. Wie das möglich sein soll, erschließt sich mir jedoch nicht. Sara erzählt uns nichts Neues: Männer werden im Job bevorzugt, viele Frauen lassen sich dominieren und manipulieren, die Verantwortung für den Haushalt bleibt meist bei der Frau hängen und die Gesellschaft scheint so mechanisiert, dass jeder, der auszubrechen versucht, schräg angeschaut wird. Die Beispiele, die sie bringt, die Beschreibung ihres Vaters und ihrer Erfahrungen im Job sind Einzelfälle, die nicht dazu führen dürften, dass sie ihre eigene Bitterfotzigkeit auf unzählige andere Frauen projiziert.
Auch wenn sie es behauptet, ihre Verbitterung hat mit ihrem Ehemann und der Rolle der Frau wenig zu tun. Sie ist bitterfotzig, weil ihre eigenen Reaktionen ihre Angst machen und ihr unverständlich bleiben. Sie möchte genau wie die Männer frei bleiben und ein unbeschwertes Leben führen, aber ihre Muttergefühle machen ihr ein Strich durch die Rechnung. Ihr Hormonhaushalt, ja, ihr Körper erlauben es ihr nicht die Verantwortung von sich zu schieben, ohne dabei von einem schrecklich schlechten Gewissen geplagt zu werden.
Sie ist verbittert, weil sie eine Familie haben will, aber nicht damit klar kommt, dass das süße Leben damit beendet ist. Weil sie ihrem Baby dafür nicht die Schuld geben kann und will, lädt sie ihre Frustration auf ihren Ehemann Johan ab, der weiterhin (beruflich) verreist und dem die schreienden Babynächte nicht allzu viel auszumachen scheinen. Ihre ganze Unzufriedenheit, gepaart mit einer verkorksten Kindheit (dominanter, fauler Vater und unterwürfige Mutter) schiebt sie auf die böse Männerwelt.
Aber trotzdem ist Sara nicht unsympathisch und nicht kaltherzig. Im Laufe des Romans kommt sie immer wieder zu Erkenntnissen, die ihren Blick aufs Leben wieder gerade rücken, und auch das Ende stimmt versöhnlich.
Wer hier einen gut durchdachten feministischen Abriss erwartet, wird sicher enttäuscht werden. Dieses Buch zeigt uns eigentlich nur, dass es schmerzhaft ist zu erkennen, dass sich Türen schließen können, dass man falsche Entscheidungen nicht auf Dauer vermeiden kann und dass man nicht für immer jung und frei ist. Maria Sveland zeigt, wie quälend es ist, etwas gleichzeitig zu wollen und dann wieder nicht zu wollen. Dass man erkennen muss, dass der Traum, den man lebt sich so ganz anders anfühlt, als der Traum den man immer nur geträumt hat. Eine durch und durch interessante Beschreibung verwirrender und widersprüchliche Gefühle der weiblichen Quarterlife-Crisis.
Einen Punkt Abzug gibt es dennoch, da man immer wieder das Gefühl hat, dass die Autorin mit Sara keine starke Protagonistin gezeichnet hat, sondern dass sie in diesem Roman ihre eigene Frustration zur Schau stellt.
Gebundene Ausgabe, 272 Seiten, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, 8,95€
12 Kommentare
Sag ich ja: Jammern auf hohem Niveau. 😉 eine schöne Rezension hast du da geschrieben.
LG
[…] gelungene Rezension zu Bitterfotze hat Lilly Berry verfasst und auf ihren Blog […]
Nenn mich altmodisch oder konservativ, aber Bücher mit derartigen Titeln nehme ich aus Prinzip nicht in die Hand und lesen tue ich sie schon gar nicht. Ich bin nicht verklemmt, was derartiges angeht, aber die Art und Weise, wie hier mit einem reißerischen Titel versucht wird, auf sich und seine Belange aufmerksam zu machen, finde ich einfach nur dämlich und hirnlos. Für mich ist so ein Titel ein Armutszeugnis für ein Buch und dessen Inhalt, so ein Titel zeigt mir nur, dass der Inhalt des Buches anscheinend so sinnentleert ist, dass ein reißerischer Fotzen-Titel herhalten muss, um Leser anzulocken. Gähn. Fickende Fische. Wichsende Onkel. Masturbierende Hühner. Danke, nein, dafür ist mir meine Zeit zu kostbar.
@dolcevita:
Dankeschön. Stimmt, eigentlich ist es wirklich jammern, was sie da tut. Würden ernsthaft feministische Gedanken dahinter stecken, dann hätte sie nicht außer Acht lassen dürfen, dass es auch Erwartungen an Männer gibt … dass auch der typische Mann nicht so einfach aus seiner Rolle ausbrechen kann.
Viele Ehefrauen meinen noch immer sie wären für grobe Arbeiten zuständig, für das Renovieren des Wohnzimmers oder die Reparatur des Autos. Als Grund kommt da meistens ein: „Ja, ich selbst kann das ja nicht.“ daher. Aber damit hat man es sich zu einfach gemacht. Tapeten anzukleben ist sicher etwas kniffelig, aber für einen nicht emanzipierten Mann ist es auch nicht so einfach Hemden knitterfrei zu bügeln und sie dann vernünftig zu falten. Alles handwerkliche kann man sich aneignen, auch als Frau. Es ist eben nur Interesse nötig. Warum sollen die Männer immer schauen, wie sie der Frau das Leben erleichtern können, wenn die Frauen sich einen Dreck darum scheren, dass es sowas wie Wehrpflicht gibt (ok, das nicht in Schweden) oder dass man als Mann in der Kinderfrage total angemeiert ist. Bei gleichberechtigten Partnern wird das Sorgerecht meist der Mutter zugesprochen; man nennt es geteilt, es heißt aber letztendlich nur, dass Frau Mutter die Spielregeln macht und Herr Vater Zeit zu haben hat. Auch mit Geschichten über Kuckuckskinder und Samenraub können sich Männer herumquälen (hauptsache sie zahlen den Unterhalt) oder mit bestimmten Frauentypen, die nur auf seine goldene Kreditkarte aus sind.
Es gibt nur einen Unterschied: Männer beschweren sich nicht einmal halb so viel.
Du hast Recht, Sara hat ja alle Möglichkeiten alles zu tun, was ihr vorschwebt. Was sie braucht, sind nicht mehr Freiheiten, sondern das zustimmende Nicken der Gesellschaft … und jemanden, der ihr Kopfchaos ordnet.
Hätte ich das Gefühl, dass Sveland diesen Charakter entworfen hat um dem Leser zu zeigen, dass emanzipatorische Aspekte in Schweden kaum noch eine Rolle spielen und dass sich manche Frauen verrennen, dann wäre das ganze brillant gewesen.
Aber wie gesagt, ich habe die Vermutungen, dass sie über ihre eigenen fehlinterpretierten Frustrationen spricht.
@Kirsten:
War sicher nicht witzig gemeint, aber ich musste grinsen. „Fickende Fische“, das klingt einfach zu geil. ^^
Ich hab ähnlich gedacht wie Du. Und wäre das der nächste Charlotte-Roche-Verschnitt, dann hätte ich auch zu 100% die Finger davon gelassen.
Da ich aber ein Schwedenfan bin und die Autorin Schwedin ist, habe ich etwas recherchiert. Der KiWi-Verlag hat den Titel 1:1 übernommen; im Original heißt der Roman „bitterfittan“ und bedeutet genau das gleiche.
Nun verwendet sie in diesem Buch ständig das Adjektiv „bitterfotzig“, statt verbittert. Wir haben ja auch den durchaus geläufigen Begriff „hinterfotzig“.
Vielleicht ist es in Schweden also wirklich so, dass man von Bitterfotzigkeit statt von Verbitterung redet.
Hier in Deutschland klingt das Ganze natürlich sehr reißerisch und der Verlag hat sich sicherlich auch etwas dabei gedacht das so zu übernehmen. Aber ich finde nicht, dass zweckentfremdet wirkt, nur um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Der Titel spiegelt ja tatsächlich den Inhalt wieder.
„Bitterfotze“ will ja eigentlich nur sagen, dass es um weibliche Gefühle geht.
In Schweden gibt (gab) es noch die Wehrpflicht, auch wenn sie in den kommenden Jahren dort abgeschafft wird bzw. viel darüber diskutiert wird.
http://www.eurotopics.net/de/presseschau/archiv/archiv_results/archiv_article/ARTICLE17069-Abschaffung-der-Wehrpflicht-in-Schweden
Der Artikel ist von 2007.
Von gestern: http://www.schwedenforum-neu.de/showthread.php?p=124035
http://www.manfred-gebhard.de/19592Schweden.htm
(so, nun eingeloggt ^^)
Ach, alle guten Dinge sind ja drei: Fickende Fische, nun, den Film hatte ich dir sogar mal empfohlen, Lilly 😉
Wobei mich der Titel auch eher abschreckte und ich mit sowas nichts anfangen kann – er ist sehr provokant und hat mit dem Film an sich nichts zu tun. (bis auf die Frage eines Kindes, wie denn Fische ficken würden) Der Film/die Geschichte an sich ist aber gut – finde ich jedenfalls.
Na ja, wenn man in Schweden von „bitterfotzig“ redet, aber eigentlich „verbittert“ meint, dann hätte der KiWi Verlag meiner Meinung nach auch „Verbittert“ als Titel verwenden sollen, sonst ist das tatsächlich zweckentfremdet und zwar zu dem Zwecke, um Leser zu bekommen. Hier wurde absichtlich dieser reißerische Titel gewählt, so sehe ich das jedenfalls. Wenn bitterfotzig tatsächlich den Inhalt widerspiegelt, verstehe ich noch weniger, wie KiWi sich auf so eine Buchlizenz versteigen konnte. Das zeigt in meinen Augen nur, wie niedrig das Niveau mancherorts gesunken ist, welche niedrige Latte angelegt wird, um Leser zu bekommen.
Nun ja, in diesem Zusammmenhang von „versteigen“ und „Latte“ zu sprechen … äh, versteht mich hier nicht falsch, ja???
Hm, ich verstehe, was Du meinst, sehe es persönlich aber anders. Wenn die Autorin oder viel mehr ihre Protagonistin sich auf das Niveau herablässt, dieses Wort in den Mund zu nehmen oder zumindest zu denken, dann rechtfertigt das den Titel. Wäre das Buch vulgär, fände ich es wohl blöd, aber es ist mit netten Gedanken gespickt und gut geschrieben.
Natürlich möchte man die Aufmerksamkeit der Leser bekommen, aber wer möchte das nicht? Man muss sich doch etwas einfallen lassen, um sich von der Masse abzuheben.
Wenn man dann genauso heißt isst, wie man kocht, dann sehe ich dabei kein Problem.
Schlimmer fände ich es zu Vulgärbegriffen zu greifen, wenn es um einen unschuldigen 0815-Roman geht; die Aufmerksamkeit also auf etwas lenkt, was es nicht wirklich wert ist gelesen zu werden.
Früher waren es die Nackenbeißer-Bilder, die zum kaufen animiert haben, heute sind es Vampirbildchen- und Titel, Bücher von aussortierten Musiksender-Moderatoren und Vulgärbegriffe. Auch die Zeit wird irgendwann wieder vorbei sein.
Aber klar, man geht damit eben auch ein Risiko ein, dass sie bestimmte Lesergruppen abschrecken. Man kann nicht alles haben. ^^
Als Schwedin kann ich nur bestätigen dass ich täglich Bitterfotze benutze und damit eigentlich nur verbittert meine!
[…] litcolony.de wurde ein Videointerview mit Maria Sveland, der Autorin vom Frauenroman Bitterfotze, veröffentlicht. Worum geht es in dem Buch, wie reagiert die Umwelt auf ihre Ansichten zur […]
[…] erinnert mich ein wenig an Bitterfotze von Maria Sveland oder Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera. Auch diese […]