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Anna Gavalda – Zusammen ist man weniger allein

gavalda
„Zusammen ist man weniger allein“. Was für ein Schwachsinnstitel. „Satt hat man weniger Hunger“ und „Tot ist man weniger lebendig“, oder was? Aber okay, es ist nicht die wortwörtliche Übersetzung von „Ensemble, c’est tout“, also kann die Autorin dafür nichts. Und die Inhaltsbeschreibung hat mich dann doch neugierig gemacht.

Es ist die Geschichte von vier Personen, die am Ende in einer riesengroßen Adelswohnung als Wohngemeinschaft enden.
Hauptperson ist wahrscheinlich Camille, über deren Leben wir am meisten erfahren. Sie ist magersüchtig, eine Künstlerin und geht Putzen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Sie zieht später in die Wohnung vom stotternden Philibert, adliger Abstammung, der Postkarten verkauft und seinem Mitbewohner Franck, Koch und Motorradliebhaber und Weiberheld. Später kommt auch noch Paulette, Francks altersschwache Großmutter dazu, weil sie nicht im Altersheim versauern will.
Und das Märchen beginnt; eine Metamorphose, die die Autorin als umgekehrten Domino-Effekt bezeichnet. Die Personen bauen sich gegenseitig auf und verwandeln sich in etwas Wunderschönes. Am spannendsten ist hier wahrscheinlich das Geplänkel zwischen Franck und Camille, die sich anfänglich überhaupt nicht ausstehen können und dann am Ende nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

Die Geschichte ist wirklich total toll und ich werde mir demnächst unbedingt den Film dazu angucken.
Das große Aber ist aber die Sprache, der Stil der Autorin. Wenn ich mir die Amazon-Bewertungen so anschaue, dann würde ich sagen ‚Man liebt oder man hasst ihn.’
Ich habe ihn gehasst. Die Personen führen streckenweise wirre innere Monologe, in denen sie Gedankensprünge ohnegleichen eingebaut haben. Ich habe z.B. ewig gebraucht, um zu erkennen, dass der Mann, den Camille zum Picknick einlädt, der gleiche ist, wie der kauzige Kerl aus dem Supermarkt.
Es fehlen Übergänge und logische Verknüpfungen und auch bei den direkten Monologen weiß man mangels Nennung der Namen oder der einfachen Verweigerung zu antworten ziemlich oft nicht mehr, wer nun genau was meinte.

Einen Kugelschreiber, siehst du … den hält man zwischen Daumen und Zeigefinger. Das heißt gar nicht mal, den hält man, wie man will. Dann ist es nicht schwer, du denkst nicht mehr darüber nach. Deine Hände existieren nicht mehr. Das Ganze spielt sich woanders ab. Nein, so nicht, das ist viel zu schön. Wir wollen nicht, dass du etwas Schönes machst, weißt du? Wir pfeifen auf das Schöne.

So geht das die Ganze Zeit. Gut, am Ende versteht man schon, worum es geht, sonst würde man den ganzen Roman ja nicht fassen können. Aber es nervt und stört den Lesefluss ungemein.

Einerseits ist es ja schön, nur seine Figuren sprechen zu lassen und dabei alles Wichtige zur Sprache zu bringen, andererseits ist es für mich aber weniger ästhetisch (wenn wir schon von höheren Ansprüchen reden), wenn die Autorin es nicht schafft dem noch einmal Nachdruck zu verleihen.
Außerdem fand ich die vielen, vielen trockenen Zitate total deplaziert. Gut, Camille und Philibert interessieren sich dafür, für Kunst und Geschichte. Aber dem Leser reicht es doch, wenn man das durch die Personen ausdrückt, sie in ihrer Leidenschaft leben lässt. Einfach ewig lange Abhandlung kursiv zu kopieren; damit hat sie es sich ziemlich einfach gemacht.
Und an die Übersetzerin: Das ständige „Pardon?“ hätte nicht sein müssen. Vielleicht geht es nur mir so, weil Frankreich nicht unbedingt eines meiner Lieblingsländer ist, aber ein schnörkelloses „Bitte?“ hätte auch gereicht.

Fazit: Der Geschichte würde ich vier Ratten geben, dem Stil aber nur zwei. Beides hängt leider miteinander zusammen, daher komme ich auf kein besseres Gesamturteil:

3 Ratten

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6 Kommentare

  • Antworten Eddie April 20, 2009 um 5:50 pm

    „Der Geschichte würde ich vier Ratten geben.“

    Ich kenne nur den Film, den ich sehr gelungen finde.
    Für die Romanliebhaber weicht er vermutlich zu sehr ab, aber für all jene, die mit dem Buch absolut nichts anfangen können, bietet der Film eine wirklich schöne und interessante Geschichte.
    Es gibt sie selten, diese Verfilmungen, die besser als die Romanvorlage sind.

  • Antworten Lilly April 20, 2009 um 6:40 pm

    Ich habe mir den Trailer auf youtube angeschaut; Camille fand ich nicht gut ausgewählt – zu wenig knabenhaft und viel zu elegant. Philibert kann ich nicht beurteilen, er wurde im Buch kaum beschrieben – aber Franck, ja, das passt.

    Ich glaube nicht, dass es da so viele Abweichungen gibt- wie er im Restaurant schuftet, sie seine Stereo-Anlage rausgeschmissen hat, mit Paulette beim alten Haus, das kam im Roman auch alles vor. Zumindest erwarte ich da nicht so ein Reinfall, wie bei der Verfilmung von „P.S. Ich liebe Dich“.

    Nein, ich glaube den Film werde ich auch mögen. Da geht es nur um die Geschichte selbst, und nicht um die Sprache der Autorin.

  • Antworten Maren April 20, 2009 um 7:26 pm

    Bei mir wars genau umgekehrt: Ich fand den Titel immer sehr originell, aber die Beschreibung hat mich total abgeschreckt.;)

  • Antworten Verena April 20, 2009 um 11:29 pm

    ich fand das Buch sehr schön. Wollt‘ mir immer mal den Film gekauft haben.

  • Antworten Anna April 22, 2009 um 6:49 pm

    Ich fand das Buch sehr schön zu lesen, vor allem den Stil:) Mich haben die Übergänge und die inneren Dialoge gar nicht gestört;)

  • Antworten Christiane April 30, 2009 um 10:21 am

    Im Film fehlen schon viele Details, die für mich das Buch liebenswert machen. Ich brauchte anfangs auch etwas um mich an den Stil zu gewöhnen. Aber so sind französische Autoren halt. Dieses etwas schwer Verständliche, viel wörtliche Rede etc. das gehört für mich einfach dazu wenn ich etwas von einer französischen Autorin/einem französichen Autoren lese. Und den Titel fand ich einfach nur schön. Ich finde er passt wahnsinnig gut zu dem Buch.
    LG,
    Christiane

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