Nein, ich habe mich nicht entschlossen diese Seite in einen Seelsorger- Blog umzuwandeln oder einen Missionar in Sachen: „Keine Macht den Drogen“ zu spielen. Gerade ich sollte das sein lassen, womit wir wieder bei der Glaubwürdigkeit wären.
Das Schreiben und der Alkohol
Viele große Schriftsteller waren Alkoholiker, ganz vorne an Edgar Allen Poe. Er fabrizierte wundervolle Texte, aber um James N. Frey zu zitieren: „ […] aber er starb mit 40, unzurechnungsfähig und ohne Kontrolle über seine Schließmuskeln.“
Ein weiterer Name, der vielen in diesem Zusammenhang sofort einfällt ist sicherlich Charles Bukowski. Vierzig Bücher mit Gedichten und Prosa sind eine wahnsinnige Leistung, da muss man den Hut vor ziehen. Aufenthalte im Gefängnis, in der Psychiatrie, eine labile Persönlichkeit und Magenblutungen, die fast zum Tod führen, sind die Kehrseite des Erfolgs.
Und wer denkt, dass dies Ausnahmen sind, sei eines besseren belehrt:
Goethe trank bis zu vier Flaschen Wein am Tag, E.T.A. Hoffmann hat soviel getrunken, dass er von Zwangsideen und Wahnvorstellungen heimgesucht worden ist und Ernest Hemingway hat sich jeden Tag vollaufen lassen – wurde von Depressionen und Manien gequält und erschoss sich letztendlich selbst.
Auch Henry Miller, Oscar Wilde und James Joyce haben sich der Sucht hingegeben, ganz zu schweigen von vielen noch lebenden Autoren, die der Diskretion wegen natürlich versuchen den Schein zu wahren.
Warum?
Die berauschende Wirkung von Alkohol kennt wahrscheinlich jeder. Und ich fürchte, dass die meisten auch schon einmal die Erfahrung gemacht haben, dass ein Rausch Kreativitäts- fördernd sein kann.
Ich nehme mich da nicht aus und behaupte: „Ja, es funktioniert wirklich.“
Einem wird warm und wohl ums Herz, die Umgebung beginnt sich zu drehen, man selbst hat einen Art Tunnelblick – kann sich ganz klar auf einen Gedanken konzentrieren und ihn ohne Scheu, ohne Ablenkung, ohne störende Zwischengefühle niederschreiben.
Man begibt sich in einem Sog der bunten Lichter, des „Ich lebe jetzt und Morgen ist so fern“, berührt sein Unterbewusstsein und liebt das, was man schreibt und was man denkt.
Es ist eine Art Leichtigkeit, eine Melancholie – man selbst mit sich allein.
Diesen Text habe ich vor zwei Jahren dazu geschrieben:
Melancholie- Die traurige Leichtigkeit des Sein…
Warum ich in meinem Alter nicht das tue, was andere tun-weggehen und Spaß haben?!Mein Leben lebe ich nicht; ich träume es nur.
Es führt mich von einem Kaffee in einem kleinen amerikanischen Lokal an den Atlantik über Lissabon an den schwedischen Öresund.Realistisch betrachtet bin ich eine einfache Studentin.
Zu perfektionistisch, um den Alltag auf die Reihe zu bekommen, zu sentimental, um mein Glück in vollsten Zügen genießen zu können, zu moralisch um aufgeschlossen zu sein und zu beschränkt um der Welt mit offenen Augen entgegen zu treten.In mir lebt der Blues: die Melodie, die ich nicht ausdrücken kann.
Die Philosohie,die sich nicht niederschreiben lässt, der Teufel der den Engel einengt und der Engel, der dem Teufel keine Chance gibt.Und so kommt es,dass ich Samstag Nachts auf dem Balkon liege,in die Sterne schaue, mich mit Prosecco betrinke, die NDR 1 Nacht höre- die Vergangenheit Revue passieren lasse und heule… einfach nur heule.
Dass es mir zu dem Zeitpunkt nicht sonderlich gut ging, ist ersichtlich. Tatsache ist aber, dass es meinem Schreiben gut getan hat. Ich wusste wie es mir geht, was ich brauche, was mir fehlt. Ich schrieb fast tagtäglich Tagebücher und kleine Kurzgeschichten; Sachen, die mir auch heute noch gefallen.
Es waren Zeiten, da wurde jeden Abend eine Flasche geleert. In meinem Leben ging es drunter und drüber, ich habe nichts auf die Reihe bekommen; konnte mich nur ins Schreiben flüchten.
Was trotz kurzfristig erhöhter Kreativität gegen Alkohol spricht
10 Gründe habe ich einmal zusammengefasst
- Die Sucht kommt schneller, als man glaubt. Das „Nur heute einmal, weil ich zur Zeit eine
Schreibflaute habe“, wandelt sich ganz schnell in ein „Heute das letzte Mal“, was man sich dann Tag für Tag wieder sagt, bis man sich eingestehen muss die Kontrolle verloren zu haben. Es sind nicht die anderen, denen das passiert. Du bist es. Und ich.
- Du wirst jeden Morgen mit einem flauen Gefühl aufwachen, eventuell Schwindel und Kopfschmerzen verspüren. Das ist natürlich unangenehm und sorgt dafür, dass du den Tag über nichts schaffst- und dich Abend wieder frustriert dem Tropfen hingibst.
- Das auf Dauer und dein Leben wird aus dem Ruder laufen. Falls du einen Job hast, ist der gefährdet. Als Student wirst du höchstwahrscheinlich nicht mehr zur Uni gehen und Lethargie versinken. Als Arbeitsloser bist du weiter von der Welt da draußen entfernt, als je zuvor. Ein Teufelskreis entsteht ganz schnell.
- Auch wenn das Schreiben von Texten in allgemeinen leichter fällt, bedeutet das nicht, dass dies auch für Romane gilt. Vielleicht ist man in der Lage ein gutes Kapitel zu Papier zu bringen. Aber das Schreiben eines Romans ist ein Langzeitprojekt. Schon am nächsten Tag würde die Gefahr bestehen, dass man den Faden verloren hat und nicht in der Lage ist an der Geschichte anzuknüpfen. Kontrollverlust ist sicher produktiv bei Schreibhemmungen, aber nicht bei einem Unterfangen, dass sehr viel Arbeit und Disziplin verlangt.
- Man wird unansehlich. Es bildet sich ein Bauch – Alkohol hat haufenweise Kalorien. Die Haut wird matt und unelastisch. Das ganze etwas zu lange betrieben und dieses Bild ist nicht mehr weit weg.
- Daran schließt natürlich auch die Gesundheit an. Damit meine ich nicht nur Leberprobleme oder zerfressene Organe, sondern auch die Psyche. Alkoholiker sind in ihrem Sozialleben eingeschränkt. Über kurz oder lang kann sich das mit Depressionen, Panikattacken und Phobien bemerkbar machen.
- Die Kostengründe sind kein unwesentlicher Faktor. Es hat einen Grund warum viele Alkoholiker auf der Straße leben.
- Der Müll in der Wohnung ist auch nicht zu unterschätzen. Ich habe es erlebt. Vier Flaschen Bier sind für einen Alkoholiker nicht viel, nehmen aber erstaunlich viel Platz ein. Wenn man morgens, alternativ irgendwann am Nachmittag gerädert aufwacht, dann hat man mit Sicherheit andere Dinge im Sinn, als völlig schlapp schwere Tüten in Richtung Getränkemarkt zu schleppen. Auf die Dauer bildet sich so ein Müllhaufen, der an irgendeinem Punkt Resignation zur Folge hat. Hallo Messie!
- Das Ansehen von außen ist sicher nur ein kleiner Störfaktor. Aber wer hat es schon gern, dass über einen getuschelt wird? Ganz abgesehen von Familienangehörigen, die sich für einen schämen- oder die eigene Familie, die man brutal vernachlässigt und mit in einen Sumpf zieht.
- Letztendlich steht da die Frage nach dem Lebenstraum. Schreiberlinge wollen schreiben. Sie haben den Wunsch gut zu sein in dem, was sie machen. Besser als andere. Aber trotz allem ist man doch in erster Linie Mensch. Ein Mensch will nicht nur gute Bücher fabrizieren. Er will frei durchatmen, sich gut fühlen, springen, hüpfen, sich fühlen, lieben … einfach leben. Er will sich in seiner Gesamtheit verwirklichen. Alkohol setzt einem die Scheuklappen auf und lässt alles das außen vor, was wir tief in unserem Inneren einmal für wichtig erachtet haben.
Sicher ist das jetzt alles etwas übertrieben … und für den Ausnahmefall fehlen auch noch etliche Punkte, die gegen das anregende Gläschen sprechen. Ich denke ich habe diese Liste vielleicht auch mehr für mich selbst, als für meine Leser geschrieben- wobei ich natürlich hoffe, dass es auch anderen etwas bringt.
Ich werde mir ein Beispiel an John Irving nehmen. Seine Romane strotzen vor Phantasie, Humor, Trauer und Tragik. Sie sind unendlich lang und verworren – verlieren jedoch nie den roten Faden.
Herr Irving schreibt nüchtern. Und er ist der beste!
Er persönlich sagt zu dem Thema: „Es gibt viele Alkoholiker, und manche davon sind halt Schriftsteller. Sie litten wohl eher an der Welt als am Schreiben.“
… was natürlich stimmen mag. Ich glaube auch nicht, dass es das Schreiben ist, was zum Alkohol führt, sondern das nicht mit sich selbst im Reinen sein.
Wer das nicht ist, wird immer an sich und seinen Worten zweifeln.
1 Kommentar
Da bist du ja wieder 🙂
Der Spruch von John Irving sagt ja eigentlich schon alles, was es zu diesem Thema zu sagen gibt. Kreativitätsschübe unter Alkohol kenne ich auch – du beschreibst das sehr treffend: Leichtigkeit & Melancholie. Bei mir ist es oft auch ein Gefühl von „da ist die Welt und da bin ich, aber wir stoßen nicht aneinander, sondern können friedlich koexistieren und uns gegenseitig inspirieren“. Das ist schön, aber es ist ja nicht jedes Mal so 😉
Und was gegen das Alkoholiker-Dasein spricht, hast du ja schön aufgezählt 😉