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Sebastian Fitzek – Splitter

Das menschliche Gehirn ist in der Lage, selbst unumstößliche Wahrheiten zu verdrängen, denen sich jeder einmal stellen muss: Alter, Krankheit, Verfall, der eigene Tod. All das kommt auf jeden von uns zu, und doch erscheint es unwirklich. Jemand anderes mischt die Karten, mit denen wir spielen, und sooft wir darüber verzweifeln, so dankbar sind wir letzten Endes über die Gnade des Systems. Denn würden wir den Weg des Lebens weitergehen, wenn wir in die Zukunft sehen könnten?


Der Roman erzählt einen kurzen Ausschnitt vom Leben des Marc Lucas, der Frau und Kind bei einem Autounfall verloren hat. Durch eine Zeitungsannonce trifft er auf ein verlockendes Angebot: einer psychiatrische Privatklinik ist es gelungen eine Amnesiepille zu entwickeln. Sie sucht Freiwillige mit traumatischen Erlebnissen, die einen totalen Neuanfang wünschen.
Obwohl Marc sich letztendlich doch dagegen entscheidet, beginnt das Unglaubliche. Sein Leben gerät vollends aus den Fugen.
Nichts scheint mehr real. Seine Handydaten wurden gelöscht, der Schlüssel für seine Wohnung passt nicht mehr, er kann sein Auto nicht auffinden, in seinem Büro erkennt ihn niemand und seine Kreditkarten sind gesperrt.
Warum?

In einer Nebenhandlung geht es um seinen psychisch labilen Bruder Benny, der in kriminelle Machenschaften gerät und von dem der Leser über einen weiten Zeitraum vermuten soll, dass er sich die Hände schmutzig macht.
Warum?

Während das erste Warum von Fitzek grob aufgeklärt wird, bleibt der Zweck der Nebenhandlung etwas im Dunkeln.
Ich kann nur so viel verraten, dass die beiden Brüder, die sich lieben aber eine scheinbar unüberwindbare Brücke zwischen sich aufgebaut haben, wieder aufeinandertreffen und aus unterschiedlichen Gründen durch ganz Berlin hetzen. Während der eine auf der Flucht ist, ist der andere auf der Suche der Wahrheit. Am Ende laufen dann alle Fäden zusammen.

Was ist das positive an diesem Buch?
Da fällt mir sofort das Marketing ein. Der Trailer ist absolut interessant, genau wie die Sache mit der Akte09-Verschwörung. Exakt diesen Beitrag sah auch Marc Lucas; natürlich mit seinen Daten und ohne anschließende Aufklärung.
Im Buch findet man eine Telefonnummer, die Teil des Rätsels ist, welches Marc lösen muss. In einem Interview sagte Fitzek, dass er gespannt wäre, wer da tatsächlich anrufen würde.
Na, wer kann denn da schon anders, als es wirklich einmal zu probieren?
0049 30 340 600 23 20, falls ihr es auch testen wollt. Ich habe laut lachen müssen, denn das, was einem da gesagt wird, trifft den Nagel auf den Kopf.

Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Die Kapitel waren kurz und übersichtlich und zu 80% wurde mit Cliffhangern gearbeitet. Wenn man immer nur vertröstet wird und keinerlei Aufklärung erhält, dann ist das zwar irgendwann ermüdend, aber der Zweck heiligt die Mittel, wie es im Roman immer wieder gesagt wird. Man kann nicht aufhören. Man möchte für all das endlich die Lösung finden, man erwartet den großen Showdown.

Sehr gut gefallen haben mir auch das Ablenkungsmanöver mit einer Verschwörungstheoretikerin und die medizinisch-psychologischen Aspekte. Der Autor scheint viel recherchiert zu haben und kann Kenntnisse über schizoide Paranoia, Highly Sensitive People, Leberzirrhose, Nahtod, Psychopharmaka und über die neuesten Forschungsergebnisse im Bereich künstlich herbeigeführte Amnesien vorweisen.
Betrachten wir die Logik als ein kaltes Geflecht, dann passt die Argumentation seiner Plotführung.

Aber, und jetzt kommen die weniger positiven Sachen, der Mensch ist nicht kalt und berechenbar. Er handelt im Affekt. Mathematisch lässt sich nicht hervorsagen, was als nächstes Geschehen wird, aber rein menschlich, rein gefühlsmäßig können wir es wissen.
Nicht so in Splitter. Die Lösung, die dem Leser angeboten wird, macht in emotionaler, psychologischer Hinsicht keinen Sinn. Sie ist vielmehr eine Inszenierung.
Ich möchte nicht allzu viel verraten, deswegen bleibe ich mit meiner Schlussfolgerung absichtlich etwas kryptisch. Die Personen verlassen niemals ihr Konstrukt, welches der Spannung wegen fest zusammengeschraubt worden ist. Sie sind Spielbälle und starre Schachfiguren. Der Roman lebt nicht von Menschen wie Du und ich, sondern von einer rationalen Gleichung aus Rahmenhandlung, Wissenschaft, aristotelischem Spannungsbogen und viel heißer Luft.

Folgende Aussage eines Neurologen war die Grundidee für dieses Buch:

Die meisten Menschen suchen nach Wegen und Techniken, leichter und schneller Wissen in ihrem Gehirn abzuspeichern. Aber die wenigsten beschäftigen sich damit, wie man lernt zu vergessen.

Ich finde diesen Ansatz hervorragend, musste aber leider enttäuscht feststellen, dass das Buch nur wenig mit dem zu tun hat, was uns die Marketingexperten und auch der Autor selbst glauben lassen wollen.

Ich mag Sebastian Fitzek sehr gern. Er ist lustig, bescheiden, wirkt bodenständig und kann sich herrlich in Szene setzen.
Sehr kreativ finde ich die Vernetzung zwischen seinen verschiedenen Romanen. Es wurde die brutale Geschichte des Augensammlers präsentiert, welches sein nächster Roman sein könnte, genau wie die alte Story vom Seelenbrecher. Auch Haberland erhält erneut eine Rolle.
Aber nur Kreativität und gute Ideen machen keine runde Story. Zudem ist es wieder so, dass man sofort einen Film nennen könnte, der ziemlich deckungsgleich mit der Idee des Romans abläuft.
Schade!

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