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Interview mit Tanja Kinkel

Sie ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Autoren, Mitglied im PEN Deutschland und im Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V, betreibt eine Schreibwerkstatt und eine Hilfsorganisation.
Eine viel beschäftigte Frau, die sich trotzdem ganz selbstverständlich bereit erklärt hat, sich von mir interviewen zu lassen. Das hat mich gefreut und freut hoffentlich jetzt meine Leser.
Sie spricht über das Schreiben, die Einzigartigkeit und die Talente eines jeden Menschen und äußert sich zum NaNoWriMo:


Lilly: Hallo Tanja! Was ließt du zur Zeit?

Tanja: Die Tagebücher von James Boswell.

Lilly: Gibt es ein bestimmtes Buch, das einen großen Wert für dich hat?

Tanja: Mehrere. Zuletzt kam zu diesen besonderen Büchern eine Erstausgabe von Giovanni Belzonis Ausgrabungsbericht, die ich von meinen Eltern zum Geburtstag bekam. Vorher hatte ich das Buch in Bibliotheken benutzt, als eine wichtige Quellengrundlage für meinen Roman „Säulen der Ewigkeit“, aber ich hatte nicht damit gerechnet, es je privat in Händen zu halten.

Lilly: Wie fühlst du dich, wenn du ein neues Romanprojekt anfängst? Stehst du dem neutral gegenüber? Bist du euphorisch und optimistisch? Oder bereitet es dir mitunter sogar Magenschmerzen?

Tanja: Nervös und euphorisch zugleich. Die Magenschmerzen kommen, wenn überhaupt, wenn die Anfangsphase schon überwunden ist.

Lilly: Hast du einen ausführlichen Szenenplan oder eine Art Konzept bereits vorher im Kopf?

Tanja: Ja, weil ich bereits eineinhalb Jahre – im Durchschnitt – für das Buch recherchiert und darüber nachgedacht habe.

Lilly: Was glaubst du ist das Schwierigste am Schreiben?

Tanja: Die Korrekturphase; der Versuch, auf emotionale Distanz zu dem zu gehen, das man gerade geschrieben hat.

Lilly: Wie lange arbeitest du dann insgesamt an einem Roman?

Tanja: Etwa zwei Jahre.

Lilly: Derzeit findet der NaNoWriMo statt – der National Novel Writing Month. Ziel aller Teilnehmer ist es einen Roman von 50.000 Wörtern in einem Monat zu schreiben, zumindest einen Rohentwurf, und so einmal erleben zu können, wie es ist, wenn man den inneren Kritiker kurzzeitig von Bord wirft. Was hältst du von dieser Idee, insbesondere für Schreibanfänger?

Tanja: Es kommt auf die Geschichte an, die man erzählt, nicht auf die Zahl der Wörter. Außerdem, ich gehe davon aus, jeder der schon einmal überlegt hat einen Roman zu schreiben, hat ein Manuskript mit mehr als 50.000 Wörtern in der Schublade. Hier wird deshalb mit unterschiedlichen Waffen gekämpft. Wenn es dazu dienen kann, einem Schreibinteressierten vor Augen zu führen, dass zu diesem Traumberuf auch Disziplin gehört, sehe ich jedoch einen Ansatz.

Lilly: Ja, von Disziplin können viele „Nanos“ am Ende sicher ein Liedchen singen.

Mit Deinem Verein Brot und Bücher betreibst du eine Organisation der besonderen Art. Du vertrittst den Ansatz, dass Armut, Intoleranz und Krankheit mit Bildung entgegenzutreten ist. Siehst du das als Ergänzung vieler anderer Hilfsprojekte, die sich in erster Linie dem leiblichen Wohl annehmen, oder wirklich als allgemeines Hauptanliegen?

Tanja: Jegliches soziales Engagement ist immer eine Ergänzung. Nahrung, Medizin, Bildung: nichts kann allein Lösungen bringen. Aber nur mit Bildung, rechtzeitig angefangen, kann ich in Generationen gedacht alle anderen Aufgaben leichter lösen.

Lilly: Das stimmt wohl. Du betreibst auch noch eine Schreibwerkstatt im Internet, um Nachwuchsautoren die Möglichkeit zu bieten ihre Talente zu entdecken.
Warum hältst du es für wichtig „Ottonormalverbraucher“ an das Schreiben heranzuführen, wo doch Jahr für Jahr bereits viele Autoren darum kämpfen bei einem Verlag unter zu kommen? Gefällt dir die aktuelle Auswahl auf dem Buchmarkt nicht?

Tanja: Ich halte den Ausdruck „Ottonormalverbraucher“ für sehr herablassend. Jeder Mensch ist eine Welt und ein erstaunliches Individuum für sich. Wir haben alle Talente. Natürlich nicht alle die gleichen. Nach meiner Auffassung gibt es im deutschsprachigen Raum aber prozentual gesehen bestimmt genau so viele schriftstellerische Talente, wie in anderen Regionen. Alles andere wäre unlogisch. Nur entdeckt sind sie nicht. Verlegt werden überwiegend Übersetzungen, weil man damit glaubt, die unternehmerischen Risiken zu minimieren. Ich würde gerne anregen daran zu arbeiten, dass wir auch hier wieder Exportweltmeister werden, nicht Importweltmeister.

Lilly: Mich als „Ottonormalverbraucher“ freut es natürlich sehr, dass du es so siehst. Elke Heidenreich glaubt hingegen, dass uns heutzutage viele charismatische Erzähler fehlen und behauptet, dass das unter anderem damit zu tun hat, dass Kriegserlebnisse jüngere Menschen nicht mehr prägen konnte. Wie stehst du dazu?

Tanja: Die Gegenwart ist die gute – oder böse – alte Zeit von Morgen. Ähnlich ist diese Bemerkung von Frau Heidenreich zu sehen, die möglicherweise im vollständigen Zusammenhang auch ganz anders klingen mag. Im Zeitalter der Globalisierung, wo irgendwo auf der Welt ständig Kriege sind, Herausforderungen durch jährlich neu entstehende Katastrophen jedem, der fühlen, miterleben, helfen will erlaubt, jegliche Erfahrung zu machen, die er verkraften kann, kann ich mir eine Eingrenzung jedweder Art nicht recht vorstellen.

Lilly: Zu deinem neuesten Buch „Säulen der Ewigkeit“ gibt es auch einen Trailer. Das war vor einigen Jahren noch ungewöhnlich für die Buch- und Verlagswelt.
Stimmst du mit Paulo Coelho überein, der meint man müsse das Internet und multimediale Wege des Web2.0 stärker in Betracht ziehen, um langfristig erfolgreich zu sein?

Tanja: Jeder der sich nicht der Zukunft stellt, wird überholt. Nicht alles, was machbar ist, muss gut sein, aber es so zu machen wie immer, ist garantiert falsch.

Lilly: Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.


Schaut doch mal auf ihrer Homepage vorbei. Ich muss gestehen, dass ich selten so eine interessante Autorenhomepage gesehen habe. Ihr findet u.a. regelmäßige Buchempfehlungen, ein Quiz, ausführliche Informationen zu sich selbst, den Link zu ihrer Hilfsorganisation und die Schreibwerkstatt, die sicher fast jeden von uns interessieren wird.
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