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Kann Literatur Amokläufe verhindern?

amokDieser Frage hat sich Herr Prof. von Hochstetten-Lastenow auf litcolony angenommen. Er ist der Meinung, dass das nicht möglich wäre und ich muss ihm zunächst einmal auch zustimmen. Was bringt es jemanden ein Buch in die Hand zu drücken, der sich daraus absolut nichts macht?

Stifters „Nachsommer“ dürfte mit seiner faszinierenden Langweiligkeit Jugendliche eher zu Gewaltexzessen treiben, als das blutigste Phantasiespiel in moderner Technik.

sagt Hochstetten-Lastenow. An Witz fehlt es ihm nicht.
Aber mit der Richtung, in die er seine Aussage gelenkt hat, macht er meiner Meinung nach trotzdem einen kleinen Denkfehler:

[…] alle Bücher, die ich spontan Jugendlichen in die Hand geben würde – „Romeo und Julia“, Goethes „Werther“, Musils „Zögling Törleß“, Torbergs „Schüler Gerber“, Werfels „Abituriententag“, Windhams „Dog Star“, Salingers „Fänger im Roggen“ – sie alle handeln von Gewalt und Selbstmord. Da ist leider keine Hilfe zu erwarten.

Er scheint davon auszugehen, dass Literatur nur dann hilfreich wäre, wenn sie außerordentlich spannend und gleichzeitig friedliebend ist. Warum? Weshalb betrachtet er das Ganze nur unter dem Gesichtspunkt Gewalt? Ist das nicht zu engstirnig? Gewalt ruft Gewalt hervor, das stimmt in vielen Fällen. Aber ist Herr Professor wirklich geneigt fiktionale Gewalt genauso zu betrachten und dümmlich-medialer Ursachenforschung beizupflichten?

Wenn man mich fragt, dann würde ich die Bedeutung der Literatur nicht so schnell abtun. Wer ein Buch in die Hand nimmt, wird unterhalten, ohne dass er sich danach ausgelaugt und kaputt fühlt. Er kann sich in den Garten setzen, Sauerstoff tanken und sich von der Sonne kitzeln lassen. Er konzentriert sich auf eine Ebene die der, der Geselligkeit und Unterhaltung sehr nah kommt- er kann Mäuschen spielen, sich Dialoge und innere Monologe „anhören“ und aktiv (durch das Lesen) am Leben anderer teilnehmen.
Letztendlich ist es ganz egal, ob er „Romeo und Julia“ oder „Sakrileg“ liest; er genießt (in den meisten Fällen) und taucht in eine Welt ein, die niemals einen so starken Sog auslöst, dass sie einen nicht wieder freilässt – denn irgendwann nähert sich auch das beste Buch dem Ende.


Computerspiele und sämtliche mediale Beschallung halte ich in der Hinsicht jedoch für gefährlich; nicht weil Gewalt ein zentrales Thema ist, sondern weil es sich dabei um Beschäftigungen handelt, die den User so sehr in ihren Bann ziehen, dass er potentiell geneigt ist alles zu vergessen, was sein Leben, seine gesamte Umwelt ausmacht.
Man kann ohne Probleme ein gesamtes Wochenende durchzocken, dabei richtig Spaß haben und sich am Ende des Tages trotzdem schlecht fühlen.
Warum ist das so?
Weil nicht alles, was wir brauchen, wirklich gut für den Körper ist und andersrum. Der Mensch steht in aller Regel nicht gern früh auf und harte Arbeit macht auch selten Spaß. Ist es aber nicht so, dass wir uns am aktivsten fühlen, wenn wir maximal sieben Stunden geschlafen haben und am Ende des Tages eine wohltuende Müdigkeit und Ausgeglichenheit verspüren?
Man kann der festen Meinung sein, dass man lieber allein und ist Gesellschaft nervt – sich dann aber wie ein neuer Mensch fühlen, nachdem man doch gezwungen worden ist sich einen schönen Nachmittag mit Freunden zu machen. Man kann Gemüse hassen, aber damit sein Körperbewusstsein und seine Laune trotzdem effektiv fördern.
Vielen Menschen ist es einfach nicht bewusst, was ehrlich gut tut- was langfristiges Wohlbefinden hervorruft. Die Welt dreht sich immer schneller, alles wirbt nur noch mit kurzfristigem Spaß.

Auch Lesen macht Spaß. Jedoch sehe ich darin nicht die Gefahr sein eigenes Leben an sich vorbeiziehen zu lassen, sondern ganz im Gegenteil – es macht Dich und Dein Leben zu festen Verbündeten.
Die Ausgangsfrage dieses Artikels ist also gar nicht so weit hergeholt, wenngleich man ihre Bedeutung etwas abstrahiert betrachten muss.

Bild: flickr/User –lulu kombiniert mit einem BILD-Scan/bildblog.de

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