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Kerstin Gier – Rubinrot

„Die Parole?“
Quark edit bisquitis. Oder so ähnlich.
„Qua redit nescitis“, sagte Gideon.
Na, fast.


Wenn Du die Möglichkeit mit Hilfe eines kleinen Geräts in beliebig viele Zeiten zu reisen, was würdest Du dann tun? Die Welten, die darauf warten entdeckt zu werden, sind grenzenlos. Die Gefahren sind es auch. Eben deshalb wäre es von ungeheurer Wichtigkeit sich intensiv mit Geschichte, vergangenen Kulturen, Traditionen und Gepflogenheiten auseinanderzusetzen.

Die 16-jährige Gwendolyn Shepherd hat ein sogenanntes Zeitreise-Gen geerbt. Ihr stehen die Türen in vergangene Jahrhunderte offen. Allerdings gibt es ein kleines Problem. Gwen wurde direkt ins kalte Wasser geschmissen. Durch eine Irrtum oder auch durch bewusste Verschleierung sind einige Familienmitglieder – ihre Großmutter Lady Arista, die Großtante Maddy und Tante Glenda – davon ausgegangen, dass Gwens Cousine Charlotte die Gen-Trägerin ist.
Charlotte ist nicht nur ungeheuer klug und atemberaubend schön, sie trägt ihre Nase auch einige Winkel höher als andere, fälschlicher Weise davon ausgehend, dass sie der Schlüssel zu einem großen Geheimnis ist.
Im Gegensatz zu ihr hat Gwen keine Ahnung vom Fechten und von guten Manieren. Sie spricht nicht viele Fremdsprachen und auch ihr Wissen in Geschichte beschränkt sich hauptsächlich auf Hollywood-Verfilmungen.
Sie ein ganz normaler Teenager, gern auch mal albern und kindisch. Was der attraktive Gideon, das männliche Pendant zu Charlotte und der zweite Gen-Träger der Gegenwart, von solchen Mädchen hält, ist nicht schwer zu erraten.
Warum kränken seine Äußerungen Gwendolyn so ungemein, obwohl sie ihn doch für einen ekligen Kotzbrocken hält? Und wie sollen die beiden es schaffen miteinander auszukommen und gemeinsam das Geheimnis lüften, so wie es alle von ihnen verlangen?

Schrullig muss man sein

Dieses Buch hat entwickelt einen unglaublichen Sog. Bereits nach ein paar Seiten ist man voll in die Geschichte integriert und möchte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Im Roman begegnen wir vielen kauzigen Figuren. Und ja, ich liebe kauzige Charaktere.
Wir lernen Großtante Maddy kennen, die sich selbst nicht vom tratschen abhalten kann und ihre Zitronenbonbon-Sucht nicht in den Griff bekommt.
Dann gibt es da noch James, einen Geist, den nur Gwendolyn sehen kann. Er streunt im Schulgebäude herum, will nicht wahrhaben, dass er tot ist und beschwert sich gern über Gwens Manieren.
Oder die Schneiderin Madame Rossini, die mit einem starken französischen Akzent spricht und nicht müde wird zu erwähnen, dass es bei ihrer Garderobe nicht um Schönheit, sondern um Authentizität geht.

Leider nicht glaubwürdig

Aber mir ist auch einiges negativ aufgefallen. Authentizität mag gefordert sein, aber authentisch sind viele Sachen trotzdem nicht. So wie Leslie, die beste Freundin von Gwendolyn. Zugegeben, sie wirkt sehr sympathisch und euphorisch, allerdings nicht sehr ausdrucksstark. Leslie scheint über kein eigenes Leben zu verfügen und ist auch keine eigene Persönlichkeit. Sie lebt nur für Gwen, interessiert sich für ihre Probleme, ihr Liebesleben, ihre Familie und für ihre Abenteuer. Sie sitzt Stunden vor dem Computer und recherchiert, und agiert grundsätzlich nur als eine Art Assistentin. Sicher, sie ist eine loyale und tolle Freundin. Aber ist sie auch ein Mensch?

Es hätte heißen müssen: Keine Garantie auf Vollständigkeit

Und wirklich beschweren muss ich mich auch über den Plot der Geschichte. Das, was ich da gelesen habe war zwar spannend und unterhaltsam, aber es war kein abgeschlossenes Buch. Die Autorin ist lediglich dazu gekommen einen Konflikt herauszuarbeiten und lauter super interessante Fragen ins Zentrum des Geschehens zu stellen. Befriedigend beantwortet hat sie kaum eine.
Ich weiß, dass es sich hierbei um eine Buchreihe handeln soll, und wirklich, ich liebe Reihen. Aber was ist der Sinn daran eine einzige Geschichte aufzusplitten? Ist es wirklich zu viel verlangt, jeden Roman in eine kleine abgeschlossene Story zu hüllen?
Rubinrot kommt auf jeden Fall erst gegen Ende richtig und Fahrt und mir blühte schon die ganze Zeit, dass es keinen vernünftigen Abschluss geben wird.
Ein Roman muss einfach rund sein. Konflikt, Steigerung, Höhepunkt, Abfall, Peripetie, endgültiger Abfall – das gehört doch dazu. Fehlt das, dann fühle ich mich als Leser veräppelt.

Weiterhin weist das Buch hier und da ein paar Holpersteinchen auf. Zunächst einmal wird das Zeitparadoxon nicht behandelt. Gwendolyn könnte ich rein theoretisch in eine bestimmte Zeit reisen und ihre Eltern daran hindern, dass sie gezeugt wird. Und dann?
Ich erwarte ja nicht, dass man in einem Jugendbuch quantenphysische Theorien erörtert, aber etwas tiefer hätte sich Kerstin Gier ruhig mit der Materie beschäftigen können.
Es wird gesagt, dass es verboten ist Handys oder sonstige moderne Errungenschaften mit in die Vergangenheit zu nehmen, da, sollte irgendjemand diese entdecken, die Zukunft verändert werden könnte. Ist es aber nicht viel wahrscheinlicher, dass die Zukunft verändert wird, wenn man Personen, und damit potentiell wichtige Vorfahren, in der Vergangenheit umbringt?
Oder wenn man Dinge aus der Zukunft bzw. der Gegenwart der Protagonisten verrät?

Außerdem ist es mir schleierhaft wie diverse Personen innerhalb der drei Tage, über die sich die Handlung erstreckt, solche Entwicklungen durchmachen können. Das ist schon sehr aus der Luft gegriffen.

Aber dennoch …!

Das alles soll nun nicht bedeuten, dass Rubinrot nicht empfehlenswert ist.
Nein, ich find den Stil der Autorin sehr erfrischend, und auch die Storyidee richtig nett. Zudem erinnert mich das ganze ein ganz klein bisschen an Harry Potter: London, Geister, Schuluniformen, alte Gemäuer und Geheimnisse. Sogar von einem Stein der Weisen ist die Rede.
Ich war einfach nur wahnsinnig enttäuscht, dass es keinen klassischen Plotbogen gab.

Wenn Ihr nicht allzu neugierig seid, dann empfehle ich Euch mit dem Kauf besser zu warten, bis auch Teil 2 erscheint. Dass sich der Kauf an sich aber auf alle Fälle lohnt, möchte ich keinesfalls abstreiten. Für 14,95€ bekommt man ein wunderschönes Hardcover mit Lesebändchen, zweifarbigem Druck im Innenbereich, und trotz allem ein paar angenehme Lesestunden.


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