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Zeitprobleme


Auch wenn ich die pubertären Teenagerjahre einigermaßen heil überstanden habe, kann ich mich vom Naivität und unüberlegten Handlungen nicht freisprechen.
Derzeit steht eine wichtige Frage im Raum: Soll ich mein Studium aufgeben?
Aufgeben nicht in dem Sinne von es komplett sein zu lassen, weil ich nicht hinterherkomme oder mich nicht für den Stoff interessiere. Nein, ganz im Gegenteil: Ich liebe meine Studium. Alles, was ich lerne ist so unglaublich interessant und ich genieße die Vorlesungen vieler Professoren mehr als großes Entertainment.
Die Frage ist, ob ich nicht nur die Veranstaltungen besuchen sollte, dir mir tatsächlich einen Mehrwert bieten – und im Endeffekt dadurch auf meinen Abschluss zu scheißen?!

Ich weiß, was ich will. Ich will Schreiben. Ein Überlebenskünstler sein, der für sein Leben lebt und nicht für die Arbeit. Jemand, der Zeit hat für seine Familie und sich nicht den Gesellschaftskrankheiten á la Bluthochdruck, Diabetes und Depressionen hingeben will.
Den Abschluss, den ich letztendlich erreichen würde, befähigt mich dazu Berufe auszuüben, die nicht mit meinen Vorstellungen vom Leben übereinstimmen. Berufe, die Morgens um 8 Uhr beginnen und bis 17 Uhr dauern. Die tagein, tagaus den gleichen Trott bieten; Sonntage wieder zu trägen Tagen machen, die die lange, unheilvolle Woche ankündigen.
Jobs, die mich in das Zahnrad der Gesellschaft quetschen, mich der imaginären Mohrrübe des Wohlstandes hinterherlaufen lassen; Wohlstand, den ich gar nicht brauche- der nur als Lebensbestandteil propagiert wird.
Nein. Ich möchte nicht im Büro sitzen. In einer Bank schon gar nicht.
Wozu also einen akademischen Abschluss besitzen oder sogar einen Titel tragen? Aus Prestigegründen?
Ich fürchte ja.
Aber ganz ehrlich: wozu. Wem will ich gefallen? Bin ich nicht ein bemitleidenswertes Wesen, wenn ich mich nur wertvoll fühle, indem ich etwas Handfestes einer Institution in der Hand halte? Reichen mein Vertrauen in mich selbst, die guten Ergebnisse der Prüfungen und die Liebe meines Partners nicht aus, um mich selbst schätzen zu können?

Schriftsteller ist leider kein anerkannter Beruf; zumindest insofern nicht, als dass man nicht davon leben kann. Es gibt keine Lehrstätte der Welt, die mich erfolgsversprechend ausbilden kann. Alles liegt an mir selbst. Wie sehr will ich es? Wie viel Zeit kann ich opfern?
Als Vollzeitstudentin mit zahlreichen Hobbys, die nebenbei arbeiten gehen muss, um das Überleben zu sichern, bleibt nicht allzu viel Freiraum, um seinem eigentlichen Lebensinhalt genug Zeit zukommen zu lassen.
Und selbst wenn man effektiv arbeitet und ein gutes Zeitmanagement betreibt. Ist da nicht auch noch die Familie, der die meiste Aufmerksamkeit zukommen sollte?

Die Tage, ja das Leben an sich, ist einfach zu kurz, um sich in allen Bereichen zu verwirklichen. Ich kann keine Fiktionsautorin, Wissenschaftlerin, Hundezüchterin, Hobbygärtnerin, Leserratte, Sportskanone und liebevolle Partnerin sein; nicht gleichzeitig.
Und selbst wenn ich es könnte:
Wo bleibt dann das kostbarste aller Güter- die Zeit? Das Liegen in der Sonne, das Schnuppern an einer Blume, das Lauschen des Klanges der Wellen, die allgemeine Schönheit der Natur, der lange und ausführliche Kaffeeklatsch mit Freunden – die innere Ruhe?
Termine hier, Verpflichtungen da. Wer will das? Warum rennen wir der Anerkennung so sehr hinterher und vergessen uns dabei selbst?

Weil es wehtut?
Ja, es tut unendlich weh ein Ziel aufzugeben, um sich selbst ein kleines Stück näher zu kommen.

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4 Kommentare

  • Antworten Kirsten Marohn September 18, 2008 um 5:11 pm

    Die Zeit, die liebe Zeit. Einer meiner Lieblingszitate ist: Der Tag hat nach wie vor 24 Stunden, es liegt an uns, sie zu nutzen.

    Wir verschleudern so viel Zeit durch eigentlich unnütze Dinge wie Fernsehgucken, shoppen gehen etc. Viele Leute freuen sich den ganzen Tag auf den Feierabend, nur um dann vor dem Fernseher zu hängen, statt ihre Freizeit zu nutzen. Die Zeit zu nutzen kann natürlich auch in das Gegenteil umschlagen – dass man jede Minute randvoll packt und sich irgendwann wie in einem goldenen Hamsterrad wieder findet und einem selbst das liebste Hobby irgendwann keinen Spaß mehr macht, weil man einfach einen Overkill hat. Eine goldene Balance zu finden ist nicht immer leicht.

    Ich habe damals meinen Sachbearbeiter Job an den Nagel gehängt, weil ich was anderes wollte. Was, wusste ich nicht. Ich wusste nur, was ich nicht will: Bis zur Rente am Computer sinnlose Daten eingeben. Dass ich nun in einem ganz anderen Berufsfeld einem quasi Dreiviertel Job nachgehen kann, das kaufmännische gegen den Einzelhandel eingetauscht habe und dadurch viel mehr Zeit zum Schreiben und Leben ansich habe, liegt an mehreren Faktoren wie einer günstigen Mieter, einem Partner, mit dem ich zusammen lebe (alleine das Leben zu finanzieren, ist oft schwieriger) und der Tatsache, dass ich recht sparsam lebe, was mir aber nicht schwer fällt, da ich noch nie ein Modefreak war oder ein kostspieliges Hobby habe oder Wert auf einen Urlaub in der Dominikanischen Republik lege. Hat man Familie mit Kindern, oder wünscht man die sich eines Tages, liegen die Dinge schon wieder ganz anders.

    Veränderungen im Job sollte man nie aus einem Bauchgefühl, aus einer Laune heraus tun, hält dieses Gefühl der Unzufriedenheit länger an, tut es Not, in sich zu gehen und zu prüfen, wo die Holpersteine liegen. Ist es wirklich der Job, die Tätigkeit an sich, oder doch nur die Kollegen? Würde ich mich wirklich woanders wohler fühlen? Und letztendlich: Bleibt mir bei einem anderen, niedriger dotierten Job, überhaupt Zeit zu schreiben? Oder muss ich gar einen Zweitjob annehmen, um die Miete, Essen, Strom etc. zahlen zu können?

    Bestimmte Dinge, wie ein Studium oder eine Ausbildung – und das ist nur meine persönliche Meinung – sollten zu Ende geführt werden, wenn man schon einen gewissen Teil an Eigenenergie investiert hat. Ein Studium oder eine Ausbildung kurz vor dem Ende abzubrechen – ich würde es nicht tun. Vielleicht meint man im Moment, dieses Standbein später nicht brauchen zu können – aber vielleicht bietet es einem doch später einmal den nötigen Einstieg in einen Job, der einem die Möglichkeit gibt, auch mit weniger Zeiteinsatz im Arbeitsumfeld, Zeit zum Schreiben zu finden. Ausbildung oder Studium in jungen Jahren sind heutzutage die Grundlage, auf die man aufbaut. Möchte man später ins Ausland gehen, können sie von großem Vorteil sein. Fachkräfte werden immer gesucht, hingegen Studiums- oder Ausbildungsabbrecher meist nachhängt, dass sie nicht wissen, was sie wollen, unzuverlässig sind, etwas nicht zu Ende führen können, kein Durchhaltevermögen besitzen.

    Wie immer du dich auch entscheidest, Lilly, ich möchte dir ein Zitat aus einen meiner Lieblingsfilme, „Family Man“ mit Nicholas Cage, auf den Weg geben: „Nur weil du im Moment nicht weißt, wer du bist, wirf nicht dein ganzes Leben weg!“

  • Antworten Myriel September 18, 2008 um 6:40 pm

    Hallo lilly,
    ich muss Kirsten in vielen Dingen zustimmen: wenn deine Unzufriedenheit mit deiner jetzigen Situation nicht nur eine momentane Befindlichkeit ist, sondern länger anhält und tiefer reicht, dann ist es wohl Zeit, etwas an deiner Situation zu ändern.
    Allerdings ist eine abgeschlossene Ausbildung zumeist der Grundstein für das spätere Leben – und auch wenn man niemals in dem erlernten Beruf tätig sein will, so ist man dennoch kein Ungelernter. Menschen ohne Ausbildung haben es sehr häufig schwer, einen vernünftigen Einstieg ins Berufsleben zu finden und sich nicht nur als „Mädchen für Alles“ zu quälen.
    Auch wenn du als Schriftstellerin einen Weg abseits jeglicher Ausbildung einschlagen möchtest, solltest du dennoch den Fall bedenken, dass sich deine Träume leider nicht erfüllen könnten und du auf das regelmäßige Einkommen eines richtigen Jobs angewiesen sein könntest – den man halt leichter mit abgeschlossener Ausbildung findet, auch wenn man ein Quereinsteiger im jeweiligen Tätigkeitsbereich ist.
    Falls du also schon viel Zeit und Energie in dein Studium gesteckt hast und dir einige Vorlesungen auch viel Spaß machen, dann wäre es meiner Meinung nach das Vernünftigste, auch die anderen Vorlesungen, die für deinen Abschluss nötig sind, zu besuchen. Du gibst deine Träume damit ja nicht gleich auf, du verschiebst ihre Realisierung nur etwas, denn ob du nach dem Studienende deinen Titel nutzen wirst oder dich als Schriftsteller selbst verwirklichst, kannst du dann allemal noch entscheiden.
    Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute und dass du mit deiner Entscheidung, wie auch immer sie ausfallen wird, glücklich wirst und sie später nicht bereust.
    LG Astrid

  • Antworten Tanja September 20, 2008 um 8:57 am

    Hallo Lilly,

    ich kann dich soo gut verstehen. Ich stand einmal vor langer Zeit genau vor den gleichen Fragen. Ich war stolz auf meine Ausbildung im Öffentlichen Dienst, die ich mit Bravour als Klassenbeste gemacht habe. Denn Schreiben wollte ich schon immer und so dachte ich, könnte ich das z. T. ausleben, mich auf diese Weise veröffentlichen. Doch nach einigen Jahren war mir klar, dass ich mich im Kreis drehe, unzufrieden bin. Das System war mir zu starr von morgens bis nachmittags, Büroalltag hinter grauen Gardinen und nach Technik riechenden Teppichen.

    Aber was tun? Von irgendwas musste ich doch leben? Ich habe mich zurückgezogen in mein tiefsten Inneres und gegraben, bis ich auf meine Fähigkeiten stieß. Ich arbeitete also weiter in dem inzwischen ungeliebten Beruf, aber das Geld daraus finanzierte mir ein Studium zur Kynopädagogin. Wohlgemerkt in Eigenregie, denn auch der Beruf der Hundeverhaltenstherapeutin ist leider nicht anerkannt. Ich musste also durch die Länder tingeln und die Menschen aufsuchen, die mir etwas beibringen konnten. Vier Jahre lang Theorie und zwei Jahre lang Praxis später hatte ich meine eigene Praxis. Ich kündigte diesen wirklich sicheren und gut bezahlten Job in dem ich mich ja schon hochgearbeitet hatte, gegen die ungewisse Selbständigkeit eines nicht anerkannten Berufes. Aber ich war gut in dem was ich tat und erreichte auch hier seiner Zeit deutschlandweit Anerkennung und verdiente nach einem Jahr 800 Euro mehr als in dem Ausbildungsberuf, hatte meine eigene verhaltenstherapeutische Hundeschule.

    Doch dann wurde meine Mutter 150 Kilometer entfernt in meinem Heimatort krank und pflegebedürftig und ich zog mit Mann und Hund sofort zurück. Wir nahmen meine Mutter bei uns auf und ich gab von einem Tag auf den anderen meine Praxis und Hundetherapieschule auf, ja mein Mietshaus und rückte vor in die 2. Etage einer kleinen Mietwohnung. Kein Einkommen mehr von heute auf morgen, denn meine Mutter musste in Vollzeit gepflegt werden und wer sich da auskennt weiß, dass man in Pflegestufe III 615 Euro bekommt, das wars. Kein Urlaub, keine Feiertage, kein Frei, keinen Feierabend, keine Versicherung, außer Unfall, nichts. Aufopferung für Mama.

    Für mich gab es keine Alternativen, denn meine Geschwister interessierte das alles nicht, sie wollten sich nicht kümmern, hatten ja schließlich Berufe, ach so wichtige. ICH habe meine sichere Existenz aufgegeben. Da stand ich nun und begann zu schreiben.

    Und jetzt kommt eigentlich das Wichtigste, worum es bei meiner ganzen Erzählerei hier geht. Ich begann für Hundemagazine zu schreiben. Ich hatte gute Deutschkenntnisse, hatte gelernt mit der Maschine zu schreiben, gut zu formulieren. Ich hatte ja schon vorher Fachartikel verfasst als Kynopädagogin, warum nicht damit auch noch Geld verdienen und gleichzeitig die Schriftstellerei ausleben können?

    Gesagt, getan. Hundegeschichten, Fachartikel, Tagebuchkolumnen habe ich gefüllt und dafür Honorare bekommen. Ich konnte also meine Schriftstellerei ausleben, wenn auch noch nicht als belletristische Romanschriftstellerin, daran arbeite ich derzeit, aber ich konnte veröffentlichen und Geld verdienen.
    Aber wie war das möglich? Nur durch die erste Ausbildung, die den Grundstein legte für das gute Deutsch, die Formulierungskünste und die Kommunikationsbereitschaft. Und das Eigenstudium in Sachen Hundeverhalten und -erziehung. Denn ich schrieb ja nicht über Menschen oder sonstwas, sondern über Hunde, also musste ich auch von denen Ahnung haben. Ohne die Ausbildung und das Studium wäre mir eine Verwirklichung als Autorin nicht möglich gewesen!!! Beides brauchte ich um die ersten Schritte in der Schriftstellerei gehen zu können, Geld zu verdienen.

    Das schreibe ich dir so offen und ehrlich, weil ich dir keinen Rat geben kann und möchte. Ich verstehe dich aber so gut, weil ich weiß, was tiefe Erfüllung ist, ein Traumberuf und Berufung. Ich lebe meine Schriftstellerei auf meine Art aus und bin sehr dankbar dafür und absolut glücklich damit, dass ich mir das ermöglicht habe. Ich möchte nie wieder zurück ins Büro und auch mein Traumberuf als Kynopädagogin möchte ich nicht zurück, denn meine Berufung ist die Schriftstellerei und dafür lebe ich! Auch wenn ich jetzt seit drei jahren für Anthologien Kurzgeschichten schreibe, an Romanmanuskripten sitze, um Schriftstellerin zu werden, so bin ich sie doch schon, wenn auch nicht im großen Stil.

    Wer weiß wofür du was im Leben gebrauchen kannst, Lilly? Hör in dich hinein, lass die Gefühle sprechen und lasse dann den Verstand über das Ergebnis schauen und nimm, was dabei herauskommt und sich für dich gut anfühlt und nach Erfüllung und trotzdem geldlicher Absicherung aussieht.

    Alles Liebe und Gute wünscht dir Tanja, die leider ihre Webadresse nicht angeben kann, weil diese ein „ü“ enthält und das System mir ständig einen Fehler anzeigt, der keiner ist. Ich besitze eine dieser neueren Webadressen, wo man auch endlich Familiennamen mit Umlauten angeben kann.

  • Antworten Lilly September 20, 2008 um 2:37 pm

    Vielen Dank ihr drei!

    Es macht mich gerade richtig glücklich, dass sich hier so tolle Personen tummeln, die mir lange Texte schreiben und damit auch viel von sich preisgeben.

    Die Entscheidung kann mir letztendlich keiner abnehmen, aber es ist tröstlich zu sehen, dass man mich versteht, dass es euch eigentlich ähnlich geht.

    Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende. 🙂

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