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Milan Kundera – Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Ihre Liebesgeschichte begann erst danach: sie bekam Fieber, und er konnte sie nicht nach Hause schicken wie die anderen Frauen. Er kniete an ihrem Bett, und es fiel ihm an, dass jemand sie in ein Körbchen gelegt und auf dem Wasser ausgesetzt hatte. Ich habe schon gesagt, dass Metaphern gefährlich sind. Die Liebe beginnt mit einer Metapher.

Was verbinde ich mit dem Frühling? Leichtigkeit vor allem. Die Vögel zwitschern, die Welt ergrünt, die Sonne kitzelt einem schon morgens im Bett die Nase- alles Graue fällt von einem ab, man hat das Gefühl zu schweben. Allein das Wort „Leichtigkeit“ trieb mich dazu das Buch in die Hand zu nehmen und für emp’s Frühlingsblogparade zu lesen.

Dass das Buch einen wortwörtlichen Bezug zum Frühling hat, habe ich erst später bemerkt. Nicht die Jahreszeit, aber die historische Phase des „Prager Frühlings“ mit politischen Verfolgungen, Abstieg von Intellektuellen und die schrittweise Enteignung der Leute bildet den Rahmen der Handlung.

Im Hintergrund dieser Kulisse erzählt der Autor von der Liebe zwischen der Kellnerin Teresa und dem Chirurgen Tomas. Tomas, treulos, geschieden und dominant fühlt sich zu der jungen Frau hingezogen und abgestoßen. Er liebt sie, gleichzeitig aber trauert er um seine Freiheit und Unabhängigkeit.
Teresa leidet darunter nicht die einzige in seinem Leben zu sein, verspürt eine ständige Grundangst nur noch Körper, äußere Hülle zu sein und ihre Seele zu verlieren. Ihre schwierige Beziehung zu Tomas macht ihr genauso zu schaffen, wie ihre lieblosen Kinder- und Jugendtage. Sie wird von Alpträumen begleitet und klammert sich ihr Leben lang ängstlich an ihren Partner.

Tomas’ Problem- neben seinem Freiheitsdrang und die Sorgen, die ihm die Kommunisten bereiten, ist die Frage, wie man richtige Entscheidungen treffen kann. Es gibt nur ein Leben. Woher soll man also wissen, was falsch und was richtig ist, wenn man nichts miteinander vergleichen kann?

In der Nebenhandlung tritt die Künstlerin Sabina auf, eine Affäre von Tomas, die sich von allen Konventionen und ernsthaften Beziehungen lossagt, um am Ende festzustellen, dass ihre angestrebte Leichtigkeit eigentlich unerträglich ist.

Ein weiterer Nebencharakter ist ihr zeitweiliger Partner Franz, der sein eigenes Leben nicht so wertschätzt, wie er es sollte, da er stets in seinen Träumen lebt … bis er feststellt, dass Träume und Wunschvorstellungen des Glücks eben doch nur Schäume sind.

Was wollen diese Figuren nun ausdrücken? Das Buch ist anders, als viele andere Romane; es ist nicht die Handlung, die die Geschichte trägt. Vielmehr stellen die einzelnen Szenen eine tiefe Symbolistik dar, deren Interpretation uns teils der Autor abnimmt, teils aber das eigene Reflektieren fordert.

Das Leben fließt und ist unerträglich leicht. Der Sinn, den wir den Dingen geben, ist eigentlich nur eine große Lüge. Die größte Lüge ist die der Schönheit des Kommunismus und das Negieren menschlicher Abgründe. Davon gefolgt Lügen von Treue, dem Sinn einer Beziehung, die des absoluten Individualismus.
Das Leben ist nur eine Anordnung von Zufällen; eine Zufälligkeit die der Mensch nicht ertragen kann.

Kritisieren muss ich die auktoriale Erzählweise, mit der ich nur wenig anfangen konnte. Man hat teilweise nicht das Gefühl einen Roman zu lesen, sondern eine Abhandlung des Autors, in denen er uns von Charakterentwicklung, dem Schreiben und von seiner Philosophie erzählt.
Das ist natürlich interessant, aber dadurch dass viele Ansichten ganz eindeutig seine eigenen und nicht unbedingt die seiner Figuren sind, wäre ein Sachbuch oder ein Essay vielleicht die bessere Wahl gewesen.

Zudem geht er mit seinen Ausführungen etwas zu weit. Wie man Fäkalien zum Gegenstand von biblischen Themen machen kann und was das mit der Handlung, die einen Roman doch zur Grundlage haben sollte, zu tun hat, bleibt mir ein Rätsel.

Positiv hingegen ist die total schöne Sprache, welche rührend, poetisch, scharf- und tiefsinnig daherkommt. Zudem bietet das Buch einen intimen Blick in einen Teil der tschechischen Geschichte, an die Geschichtsaufzeichnungen in dieser Art nie heranreichen können.

Dieser Roman ist genauso wie sein Titel: bedeutungsschwer und dennoch flügelleicht.

4 Ratten



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