Es stimmt mich schon ziemlich sentimental, wenn ich sehe, wie massiv sich die Bloglandschaft verändert. Ursprünglich waren die Blogs ja einmal als Gegenbewegung zur elitären, überheblichen und intransparenten Modefachpresse angetreten, die fast schon diktatorisch filterte, welche Designer, Trends und Kleider von den Modeschauen in die Hefte und damit in die Öffentlichkeit traten.
Die ersten Verrückten, die sich in Deutschland trauten, eine ehrliche Meinung zu Mode zu haben, auf Konventionen zu pfeiffen und den Lesern per Social Media einen direkten Einblick in das Modegeschehen zu geben, waren unter anderem Jessica Weiß und Julia Knolle mit LesMads und Anna Frost mit Fashionpuppe. Anna Frost hat Fashionpuppe schon früher in diesem Jahr eingestellt und arbeitet nun am neuen Projekt Fafine, wobei Fashionpuppe noch online ist und viele der ehemaligen Social Media Channels nun mit Fafine-Inhalten gefüllt werden.
Bei Fashionpuppe ist in den letzten Jahren aber auch sehr viel passiert, denn Anna ist inzwischen verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter – da ändern sich natürlich die Themen. Das Altern von Bloggern ist insgesamt ein spannendes Thema. Während wir beim Fashion-Insider schon beim Start 2008 verheiratet mit kleinem Sohn waren, kann man bei vielen Bloggerinnen der ersten Stunde nun den Nestbau und die Elternschaft mitverfolgen und teilweise mutieren die wilden Bloggerinnen dann zu Hausfrauen, die leckere Backrezepte in der Einbauküche des Einfamilienhauses präsentieren.
Quasi der Urknall der deutschen Modebloggerlandschaft waren aber definitiv LesMads und obwohl Jessica Weiß und Julia Knolle wohl schon frühzeitig aus dem Burda Verlag unterstützt wurden, waren beide Vorkämpferinnen und Vorbilder für Generationen von Bloggern und auch heute ist Jessica Weiß mit ihrem neuen Blog Journelles wieder eine Institution in Sachen Online-Modejournalismus.
Die Strategie die hinter der Schließung von LesMads steckt ist leider nicht im Abschiedspost von Katja herauszulesen, aber in einer Zeit in der sämtliche Printtitel in ihren Online-Versionen komplett wie Blogger agieren und auch vermeintlich seriöse Magazine den schnellen Online-Klicks von Kardashians, Crash-Diäten, Top10 von Irgendwas-Listen hinterherhecheln, bleibt in einem Verlag der auch Bunte, Instyle, Freundin und Elle im Portfolio hat, eine verhältnismäßig kleine Online-Marke eben irgendwann auf der Strecke.
Schon Anfang des Jahres zeichnete sich ab, daß mittlerweilen die klassischen Titel jede Menge Traffic abgreifen und das Ranking im Modebereich anführen. Es ist also aus im Januar für LesMads.
Die Frage wird also vor allem, was die nächste Revolution sein wird. Nachdem alles an Modegeschehen tausendfach live per Snapchat, Instagram und Co. ins Netz gestreamt wird und von jedem multipliziert und kommentiert werden kann und wird, ist die logische Gegenrichtung eigentlich wieder die totale Exklusivität.
Als Modedesigner ist es natürlich sehr verlockend, sich die Fashion Show mit reichweitenstarken Celebs und Bloggern vollzuknallen und die Bilder durch alle Channels flattern zu lassen. Doch dabei gibt man die Kontrolle über die Marke und die Kollektion komplett an die Blogger ab. Was, wo, wie in welchem Umfeld von wem, wie gezeigt und kommentiert wird ist dann Out of Control. Das kann man wie Moschino mit punkigen Plastikshows bedienen und die Medienwelle surfen oder man lädt in einen medial von der Außenwelt abgeschirmten Raum und kehrt zur totalen Exklusivität zurück.
Beste Abschiedsgrüße gehen also vor allem an Katja Schweitzberger, die LesMads bis zuletzt vorangetrieben hat und die ich bei Firenze4Ever treffen durfte. Leider sind die Kommentare bei LesMads schon abgeschaltet…
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Wir haben LesMads immer gern verfolgt und bedauern das Aus. Ob Blogs überhaupt für virales Marketing gebraucht werden, ist eigentlich schon beantwortet: Nein. Die Frage ist eher, ob virales Marketing an sich durch eine neue Strategie ersetzt wird. Im Beitrag klingt es bereits an: Ist „totale Exklusivität“ im Kommen? – Man sollte bedenken, dass die „totale Individualität“ noch lange nicht ausgereizt ist.
Modeblogs sind ja nicht gleich. Und neben der Verbreitung kommerzieller Trends, gibt es den Streetstyle; im besten Sinne wie beim Satorialist. Menschen werden sich immer Anziehen müssen. Das ist schon eine klare Unterscheidung. Insofern hat sich ein Geschäftsmodell in Luft aufgelöst. Das ist insofern nicht überraschend als dass Leserinnen selten goutieren, wenn etwas zu wenig authentisch ist. Aber für die breite Masse an Streetstyle Blogs gerade Ü30 ist noch viel Luft nach oben und Brands interessieren sich enorm für die finanzstärkste Zielgruppe der Ü40 Frauen. Sabina | Oceanblue Style