Fashion Shows sind nicht nur eine Gelegenheit die neueste Kollektion zu präsentieren, sondern oft Kunstinszenierungen an sich, bei der die Designer ihrer Kreativität freien Lauf lassen und gleichzeitig darum bemüht sind, für internationalen Presse- und Medienrummel zu sorgen. Die Entwürfe einer Saison mögen zur nächsten bereits vergessen sein, der Eindruck einer besonders haarsträubenden, krassen oder aufwändigen Modenschau hingegen mag für Jahrzehnte bestehen bleiben und damit in die Fashion-Geschichte eingehen. Ikonenhafte Modemacher wie Karl Lagerfeld, Gucci, Dior, Chanel und Alexander McQueen begeisterten mit Laufstegerlebnisse, die unvergesslich blieben.
In der aktuellen Saison machte vor allem Georgio Armani von sich reden, dessen Show während der Mailand Fashion Week mehr den Charakter eines Gottesdienstes und religiösen Zeremonie hatte als den einer Modenschau. Schon die Location allein verzauberte: Das Theater an der Via Borgonuovo hat geringe Platzkapazität, was der Veranstaltung exklusiven Charakter verleiht. Nur die wichtigsten Gäste und Journalisten dürfen ins Haus, das aufgrund der Tradition mittlerweile schon als „Georgios Haus“ bezeichnet wird und wie der Tempel des Modegottes anmutet. Die Vorstellung der aktuellen Armani-Kollektion war dabei ähnlich zeremoniell inszeniert, das wachende Auge des Modeschöpfers war wie von einem Guckloch aus auf der Leinwand zu sehen, der damit zum Beobachter des Geschehens wurde, bis er am Ende der Show selbst ins Geschehen trat. Jedes Jahr ist die Armani Show in Mailand ein atmosphärisch einzigartiges Erlebnis, zumal sie, anders als alle anderen Schauen, zweimal abgehalten wird.
Wie sehr sich Fashion mit anderen Kunstrichtungen verbindet, zeigte auch die Gucci Show für die Frühjahr/Sommer Kollektion 2019, Teil einer drei Saisons andauernden Hommage an die französische Kultur. Sie wurde im historischen Theaterhaus „La Palace“ inszeniert. Inzwischen ein Club, steht dieser seit jeher für die Freiheit „man selbst zu sein“, und bildet damit eine perfekte Location für Gucci, denn Alessandro Michele setzt es sich stets zum Ziel Looks für die unterschiedlichsten Menschen zu kreieren. Dem Anliegen entsprach auch diese legendäre Show, die als Theaterinszenierung präsentiert wurde, wobei jedes Outfit eine Geschichte aus verschiedenen Dekaden erzählte, von den 70ern bis in die 80er Jahre, und sogar einen Hauch „Dolly Parton“ gab es in den Designs zu erleben. Spektakulär war die Fashion Show jedoch aufgrund einer anderen Sängerin: Jane Birkin stand auf einmal aus den Zuschauerreihen auf und sang „Baby alone in Babylon“.
In Sachen denkwürdige Fashion Shows darf auch Modezar Karl Lagerfeld nicht fehlen, der seine Kollektionen auf ebenso kreative und exklusive Weise präsentierte, wie er Haut-Couture für Chanel schuf. In Erinnerung blieb die Schau 2015 in Paris, die auch Vogue-Chefin Anna Wintour in höchsten Tönen lobte und die von zahlreichen Stars wie auch der Weltpresse mit Begeisterung aufgenommen wurde. Karl Lagerfeld entführte das Publikum hier in ein Casino, samt Spieltischen und Slots, wobei der die Models an die Roulette- und Blackjack-Tische setzte. Der Laufsteg lief rund um die Spielbankinszenierung herum. Die Redewendung „das Haus gewinnt immer“ bekam hier eine ganz neue Bedeutung, denn das Modehaus Chanel schrieb mit dieser Schau Geschichte.
Schon 2012 sorgte Karl Lagerfeld für Medienrummel, mit seiner damaligen Frühjahrs-/Sommer-Kollektion, die Unterwasser-Motto besaß. Der Designer legte zu seinen Lebzeiten stets großen Wert auf die musikalische Untermalung seiner Fashionshows. 2012 holte er Florence Welch auf die Bühne, die in einem perlweißen Couture-Kleid aus einer Muschel stieg und den Song „What the water gave me“ sang.
Musik und Fashion verband auch John Gallianos Show für die Dior Frühjahr/Sommer-Kollektion 1998, allerdings mit klassischem Flair: Der Designer inszenierte seine Show im Pariser Opernhaus Palais Garnier ganz wie eine Oper, samt eigenem Orchester, Tänzerinnen und Statisten, die wie Figuren aus großen Opern gekleidet waren. Seine Kollektion präsentierte er auf der großen Treppe des Opernhauses und verlieh der Modenschau damit besonders dramatischen und spektakulären Charakter, so dass sie mehr als zwei Jahrzehnte später noch immer als denkwürdig gilt.
Nicht immer geht es derart elegant zu, so manche Schau der großen Designer sollte für Augenzwinkern sorgen. 2021 holte das Label Balenciaga reichlich unerwartete Models auf den Laufsteg: keine geringeren als die TV-Serienhelden The Simpsons traten hier auf, um die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2022 vorzuführen. Im Théâtre du Châtelet in Paris traten zunächst die üblichen, zu erwartenden Models auf den Laufsteg, dann präsentierte Creative Director Demna Gvasalia einen niedlichen Kurzfilm basierend auf einer Sonderfolge der Serie: Marge Simpson träumt von einem Balenciaga Kleid, kann es sich aber nicht leisten, weshalb sich Ehemann Homer direkt an das Modehaus wendet. Hierauf lädt Gvasalia die Simpsons nach Paris ein, um sie als Models auf seinen Laufsteg zu holen.
Furios und eine der besten Choreografien einer Fashionshow erlebte man 2004, als Alexander McQueen seine „Deliverance“-Kollektion präsentierte. Dabei ließ er den alten Hollywood-Klassiker „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ aus dem Jahr 1969 wieder aufleben, in dem Tänzer in einem Tanzwettbewerb um ein besseres Leben kämpfen, wobei die Story jedoch ein tragisches Ende nimmt. Auch McQueens Models mussten tänzerisch bei der furiosen Show an ihre Grenzen gehen, wobei Choreograf Michael Clark dabei auch die Burnouts in der Modeindustrie kritisch beleuchtete.
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