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Gedanken um Glaubwürdigkeit


Ich habe lange überlegt, mich aber trotzdem dazu entschlossen hier einen eher intimeren Tagebucheintrag zu veröffentlichen:

Ich kann nicht mehr vernünftig schreiben. Was ist los? Wo sind die Morgen, an denen ich fröhlich von der Leber schnacken konnte?

Habe ein paar verworrene Gedanken gedacht. Seit Wochen nun schon. Sie haben keine Hand und kein Fuß, nichts was irgendwie belastend wäre. Aber es ist auffällig.
Liebe. Beziehungen. Wozu? Was ist es?
There’s nothing as pure love. Unsere Liebe ist nicht rein. Egoismus.
Gut, nichts ist nicht egoistisch. Wir können nur von unserem „point of view“ handeln; selbst wenn wir in der Lage sind uns in andere Menschen hineinzuverstzen, ist es trotzdem noch unser Geist, der da herumwandert.

Ist die Liebe nicht eine Art Zweckbeziehung? Nicht bewusst. Aber auch nicht wirklich unbewusst.
Aber wenn man liebt, dann macht man sich selbst zum besseren Menschen. Man arbeitet an sich. Man verkauft sich als die Person, die man gern sein möchte.
Ein Abbild von sich. Ein Abbild, was bewundert, wiedergeliebt werden soll.

Kennt eine Person unser wahres Ich – ich meine nicht dieses Ich, was sich aus ewiger Zweisamkeit ergibt, sondern das innere, ganz intime – auch unterbewusste Traum-Ich, dann wird sie wohl kaum noch reizvoll erscheinen.
Zeigt eine Person all ihre Abgründe – ist so bedingungslos ehrlich und vertrauenswürdig, dass wir es nicht mehr für nötig halten nach unserem besseren Ich zu streben, wird diese genauso uninteressant.

Lieben ist so schön. Es macht Spaß. Es hat eine Menge Vorteile. Man träumt viele Träume. Und in der Tat, man begehrt das Gegenstück. Man möchte es unversehrt, unverletzt – in Watte gepackt und glitzernd wie der Staub von gemähten Feldern im Spätsommer.
Aber irgendwo ganz tief in uns drin wollen wir uns … uns als Abbild eines Ideals.
Ein Ideal, welches sich in der Liebe ergibt.
Anders ausgedrückt: Wir lieben die Person, die uns wachsen lässt. Die ein Vorbild ist, für immer ein ungelöstes Rätsel bleibt.
Alles andere ist nur Nettigkeit und körperliche Anziehung.

Eine andere Frage, die mich seit einigen Tage beschäftigt:
Ist es von Bedeutung welcher Nationalität ein Autor angehört? Oder anders: Sind deutsche Autoren, die ihre Handlung ins Ausland versetzen, glaubwürdig?`
Ich sehe mich nicht als Deutsche. Der einzige Fleck Erde in diesem Land, wo ich mich wirklich wohl fühle, ist meine Heimatinsel und mein Rostock.
Gegenden mit viel Wald, von der salzigen Ostsee umzingelt – mit den meisten Sonnenstunden im Jahr.
Menschen mit rauhen Charakteren, schwedischen Wurzeln und bescheidenen Leben. Wie heißt es so schön? „Hier bin ich Mensch, hier will ich sein.“
Nun ist es natürlich nicht schwer einen Roman in dieser Kulisse spielen zu lassen – aber nicht diesen Roman. Nicht diese Geschichte, nicht dieser Charakter. Die Nord-Ostdeutsche Küste wird dem, was ich zu erzählen habe, was ich ausdrücken möchte nicht gerecht.
Also bleiben wir bei der Realität. Eine Neuseeländerin bleibt eine Neuseeländerin. Wir schicken sie nach Afrika und lassen sie ihre Erkenntnisse ziehen.
Platz für Spannung? Viel!
Aber glaubwürdig? Ich weiß nicht.

Ich habe seit einiger Zeit Emailkontakt mit einer lieben Autorin. Sie gibt mir wertvolle Tipps- nicht aufdringlich, nicht besserwisserisch – einfach nur das, an was sie wirklich glaubt, was Experten ihr geraten haben.
Sie meinte das beste was sie mir raten könnte, ist meinen Roman in Deutschland spielen zu lassen. Es wäre nicht nur wichtig für mich, weil es mehr Identifikation bietet, sondern auch für die Verlagswelt.
Warum sollte jemand deutsche Autoren einkaufen, die das Ausland beschreiben, anstatt die (wahrscheinlich günstigeren) Rechte eines dort ansässigen Autors zu erwerben?
Ich weiß es nicht.

Aber Identifikation? Mit Deutschland? Das geht nicht. Ich fühle mich nicht Deutsch.
Ich habe nicht vor meine Nationalität zu verraten, aber ist Fiktion nicht frei von nationalen Grenzen? Ist es nicht die Fantasie und Kreativität, die sie zum Leben bringt?

Kurzfristig habe ich mir überlegt, meinen Wohnort einfach vorzuverlegen. Sprich – ich werde angeben, dass ich schon heute in Nordschweden lebe. Eine deutsche Autorin mit ausländischen Wohnsitz kann wohl etwas mehr überzeugen.
Aber das ist dumm (vor allem dumm, weil ich meinen studivz-Uniort vorschnell geändert habe).
Ich bin was ich bin – und ich will mit einer Geschichte überzeugen. Eine Geschichte, die ich für wirklich erzählenswert halte, nicht durch meine Person.
Ich werde mich schlichtweg weigern, mich durch mein Deutschsein in bestimmte Schubladen stecken zu lassen.

Warum sollte ich einen Krimi, der in München spielt besser rüberbringen können, als eine Identifikationsreise nach Liberia?
Ich kenne München genauso wenig wie Afrika – und kriminaltechnisch bin ich auch ein Anfänger.
Vielleicht müsste ich auch ein Mörder sein, um möglichst detaillgenaue Gefühle und Kriminalakte rüberbringen zu können?

Wer weiß. Ich weiß nur eines. Ich darf nicht enden wie Edgar Allen Poe. Das heißt Finger weg vom Alkohol!

… das hatten wir schon!

Ich bin nur ein Ideal. Ein Ideal der Gedanken von Person X.
Sie hält im Grunde nichts von mir. Ich könnte heute Nacht sterben und sie würde nicht eine Träne vergießen.
Meine Gefühle sind ihr egal – was ich brauche, was ich will – alles nicht wichtig.
Aber sie hat da diese Person im Kopf – ein Abbild einer jungen Frau. Eine junge Frau, die selbstbewusst, frech, clever und sympathisch ist. Gewiss, etwas zu neugierig, viel zu zynisch für ihr Alter, ein bisschen selbstverliebt und psychisch gestört. Aber verdammt attraktiv – ein Arsch wie ein Apfel, die Titten einer 15-jährigen und die Libido eines Mannes.
Eine Person, die man jede Nacht im Traum durchnehmen kann, ohne dass irgendetwas passiert. Ohne dass man sich verbrennt.
Aber herrgott! Ich bin es leid.
Ich will nicht deine Phantasie sein. Sei nicht so feige und rede gefälligst mit mir. Sieh den Tatsachen ins Gesicht und schau wer ich bin:
jämmerlich, unsicher, krank, innerlich verwahrlost, langweilig – und vor allem … vergeben (!!!)

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2 Kommentare

  • Antworten aXel.b August 13, 2008 um 11:19 pm

    Ich möchte die erste Passage zu den Gedanken der Glaubwürdigkeit auffassen.
    Eigentlich eher sogar einen intimeren Kommentar zu einem intimeren Tagebucheintrag verfassen….

    Das was wir wissen und glauben, wissen längst noch nicht die anderen. Gehen wir davon aus, dass wir unser Wissen, dass wir in Form von Worten, beispielsweise in der Literatur, wiedergeben, als Gültigkeit Bestand haben, bedeutet das lange noch nicht, dass es auch bei den anderen, z.B. den Lesern Bestand hat.
    Wir Menschen glauben oftmals nur das, was wir meinen „glauben zu können“, da es ansonsten unsere persönliche innere Grenze erreicht, vielleicht sogar sprengt. Unser Geist ist oftmals auf „schwarz und weiß“, „plus und minus“ oder „wahr und falsch“ ausgelegt. Wir haben gelernt zu kategorisieren. Durch die Eltern, Grosseltern, Schwestern, Brüder, Freunde. Unsere Gesellschaft teilt ( uns )ein. Die, die versuchen auch „Grautöne“ und „Übergänge“ in Ihr geistiges Leben zu bringen, machen sich innerlich zu Aussenseitern. Es ist nicht normal bestimmte Sachen, man könnte sogar sagen: Tatsachen, anders zu betrachten, als es die Gesellschaft abverlangt.
    Ich habe mal gehört, dass wir unterscheiden sollten zwischen „Akzeptieren“ und „Respektieren“. Wenn wir die Abgründe einer Person akzeptieren, dann wird die Person in eine Kategorie eingeteilt, ggf. abgestempelt.
    Respektieren wir diese Abgründe, sehen wir es also als glaubhaft an. Sieht es die Gesellschaft anders wie wir, zweifelt sie bereits an unserer Glaubwürdigkeit, „an unserem Verstand“.
    D.h. glauben wir jemanden, dass seine Einstellung zum Leben, zur Liebe und zu was auch immer, anders ist, wie die Gesellschaft uns das prägt oder geprägt hat, so werden wir zum Außenseiter… unglaubwürdig.
    Könnte man nun behaupten das unglaubwürdige Aussenseiter eigentlich das Herzstück unserer Gesellschaft sind, da sie das prägen, was die anderen (von uns) denken.
    Wir kommen damit zum Thema „Ursache und Wirkung“, dass sicherlich einen eigenen Blog benötigt.
    Wir sollten dennoch nicht vergessen, dass die, die offen über Ihre Gefühle sprechen, die mit den grenznahen Fiktionen realistisch umgehen können, eigentlich die Menschen sind, die unser Leben und somit unseren Geist bereichen. Sie bringen die Unglaubwürdigen zum Nachdenken, auch wenn diese gleich wieder verurteilen, denn sie wissen es ja leider nicht besser.
    Wir sind gefangen in einer Gesellschaft, die wir nicht kennen. Wir kennen nur unsere nächste Umgebung, unseren Bekanntenkreis, egal in welcher Form und Weise. Bestimmt durch unser Leben, durch unser vorgeführtes Leben: Das ist so, das macht man so, das war schon immer so…
    Wir lernen Denkmuster, unsere eigenen und die der anderen…
    Vielleicht lernen wir erst mit der Zeit und mit unserer Reife, die wirkliche Wahrheit zu erkennen, die in uns lebt und reift.
    Wenn dem so ist, dann müssen wir lernen zu uns selber ehrlich zu sein. Ehrlichkeit kann aber auch mit Aufgabe / sich aufgeben zusammenhängen. Wollen wir das wirklich? Sind wir dazu bereit?
    Es gehört ein bisschen mehr dazu, als nur als Autor in ein anderes Land zu ziehen, um damit überzeugender aufzutreten…

  • Antworten Kirsten Marohn August 17, 2008 um 11:51 am

    Warum möchten wir anderen gefallen? Dem Literaturagenten. Dem Lektor. Dem Verlag. Dem Leser. Dem Partner. Warum setzen wir uns tagtäglich der Seelenqual unserer eigenen Selbstzweifel aus? Warum setzen wir so viel daran, den Anderen zu verändern, statt bei uns selbst zu beginnen und unsere Sicht der Dinge zu ändern?

    Den Anderen können wir nicht verändern. Wir können ihn nicht zwingen, uns zu mögen, und warum sollte er uns auch mögen, wenn nicht mal wir selbst uns mögen? Mein Busen ist zu klein? Ich jammer meinem Partner das bei jeder Gelegenheit vor, ich stehe prüfend vor dem Spiegel, ich frage, ob er die Dinger nicht auch zu klein findet, ich frage, ob er meinen Busen auch WIRKLICH, WIRKLICH okay findet? Kein Wunder, dass da irgendwann der beste Partner genervt die Segel streicht.

    Die Menschen – und insbesondere scheinen das Frauen zu sein – neigen dazu, ihr Seelenheil in ihrem Partner, in ihrem Gegenüber zu suchen. Evolutionsbedingt? Vielleicht.

    Wir sollten damit aufhören, den Partner für unser Seelenheil verantwortlich zu machen. Ich bin nicht glücklich – mein Partner ist Schuld. Ich bin sexuell nicht befriedigt – mein Partner ist Schuld. Ich bin so unzufrieden – mein Partner ist Schuld.

    Warum so viel Energie daran setzen, den Partner zu verändern, statt die Sicht AUF die Dinge zu verändern?

    Wir können daran arbeiten, uns selbst zu mögen, uns zu lieben, uns anzunehmen, wie wir sind. Viele Probleme resultieren daraus, dass wir uns selbst im Weg stehen, weil wir vor lauter Selbstzweifeln den Weg nicht sehen, weil wir uns nicht annehmen, wie wir sind, weil wir die Schuld bei uns suchen, weil wir meinen, nicht gut genug zu sein. Wer sich selbst mag, den mögen auch die anderern. Blöder Spruch, ich weiß, aber die Wahrheit. Wer mit sich selbst im Reinen ist, strahlt diese Aura der Harmonie aus, das springt auf andere über. Und geht es uns selbst nicht genauso? Mögen wir nicht auch lieber ausgeglichene, fröhliche Menschen um uns herum als das Häufchen Elend, das sich ständig in der Opferrolle sieht, meint, an allem Schuld zu sein und ständig an sich herummäkelt, dass dies oder jenes nicht groß, nicht schlank, nicht hübsch, nicht prall, nicht jung genug ist?

    Wir ackern uns ab, um von Anderen Lob, Anerkennung, Respekt und Liebe zu bekommen. Das ist eine Lebensaufgabe. Es wird immer jemand kommen und sagen, deine Geschichte ist schlecht, nicht glaubwürdig, dies oder jenes wäre besser. Das endet nicht mit dem Veröffentlichen, das fängt dann erst an. Schreibe nicht, um anderen zu gefallen, lebe nicht, um von anderen gemocht zu werden. Tu die Dinge, weil DU sie willst, schreibe deine Geschichte, sei dein größter Kritiker, erkenne deine Grenzen, baue aus, was du gut kannst, korrigiere, wo du meinst, dass Veränderung nötig ist. Es ist unwichtig, ob deine Geschichte veröffentlicht wird. Es ist unwichtig, ob sie sich verkauft. Wichtig ist, dass du sie magst, dass du glücklich damit bist. Alles andere sind Randerscheinungen, die sich von ganz alleine ergeben. Was willst du tun, wenn du niemals einen Verlag finden solltest, der dich veröffentlicht? Den Kopf in den Sand stecken? Was willst du tun, wenn dein Buch keine Käufer findet? Dein Selbstwertgefühlt an Verkaufszahlen festmachen? Sich an der Anerkennung anderer Menschen abzuackern, ist eine Lebensaufgabe, die leider zu viele Menschen bereitwillig auf sich nehmen. Warum nur?

    Warum sich selbst so ernst nehmen? Warum nicht über sich selbst lachen? Wir sind, wie wir sind. Wir werden das nicht ändern können, und warum auch? Ist nicht jeder Mensch ein Unikat? Ist nicht jeder Mensch auf seine Weise schön? Hat nicht jeder Mensch Talent? Hat nicht jeder eine Geschichte zu erzählen? Und, ja, ich möchte in die Abgründe meines Partners blicken. Ich möchte dort tief hineinblicken, aufschauen und sagen können, ich habe etwas gesehen, das er sich keinem anderen traut zu zeigen. Ich möchte, dass mein Partner sich bei mir geborgen fühlt, dass er sich angenommen fühlt, wie er ist. Ich möchte nicht, dass er mir irgendetwas vorlebt, was nicht ist. Was hätte ich davon? Was hätte er davon? Wahre Liebe entsteht aus Vertrauen. Wer mich nicht mag, wie ich bin, der liebt mich nicht. Wer dich nicht mag, wie du bist, Lilly, der sollte zum Teufel gehen. Wir sollten aufhören, andere Menschen als unseren Spiegel zu verwenden. Wir selbst sind unser Spiegel. Schmeißen wir einen Stein ins Wasser und lachen wir darüber, wie sich unser Spiegelbild verzerrt. Das Leben ist zu kurz für Oberflächlichkeiten.

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