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Daniel Glattauer – Gut gegen Nordwind

Mit Marlene hat das alles keinen Sinn. Wir bluten uns aus. Wir lieben uns nicht. Sie glaubt es, aber wir lieben uns nicht, das ist nicht Liebe, das ist nur Hörigkeit, das ist nur Besitz. Marlene will mich nicht loslassen, und ich, ich kann sie nicht festhalten. […]
Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf. Emmi, Emmi, Emmi.

Das eine hat mit dem anderen eigentlich nichts zu tun, aber Jules erwähnte in diesem Artikel sowohl Emmi und Leo, als auch Bella und Edward. Ein Liebespaar und ein verdammt gutes Buch, das hatte ich nötig nach der Twilight-Saga.
Etwas, was mich aus dem tiefen Leseloch herausholt.
Emmi und Leo sind nicht Bella und Edward. Sie sind es nicht einmal ansatzweise. Es gibt nichts und niemanden, der sich mit diesem Traumpaar messen könnte. Aber darum geht es ja eigentlich auch nicht. „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer ist eine ganz eigene Geschichte, ein ganz spezieller Roman: ein Briefroman.

Er beginnt sehr langweilig mit einer falschen Email. Statt in die Redaktion einer Lokalzeitschrift, landen die Kündigung und die anschließenden Beschwerden der Emmi Rothner bei einem Mann namens Leo Leike.
Kurze nichtssagende Floskeln werden ausgetauscht.
Später, nach einer Massen-Weihnachtsmail, die Emmi an all ihre Kontakte schickt, nehmen beide erneut Kontakt auf.
Verspielt, wie kleine Hunde, neugierig, frech und wortgewandt necken sich beide mit kurzen Nachrichten, versuchen jeweils das Gegenüber aus der Reserve zu locken. Was anfänglich eine kleine Nebensächlichkeit zum Zeit-Totschlagen ist, wird mit jeder neuen Email zur Gewohnheit. Obwohl keiner großartig etwas über sich verrät, stellen beide umschweifende Vermutungen an, mit wem sie es zu tun haben.
Hin und wieder erzählt jemand etwas aus ihrem Leben, Emmi, dass sie mit einem Mann verheiratet ist, der zwei Kinder mit in die Ehe gebracht hat, Leo, dass er sich kürzlich von seiner Freundin Marlene getrennt hat. Marlene, die er zu lieben glaubt, aber die ihn als Spielball benutzt.
Eigentlich sind sich beide sicher, dass sie kein besonderes Interesse an den jeweils anderen haben. Emmi liebt ihren Mann und spricht oft von ihrer außergewöhnlichen Ehe, eine Ehe voller Verständnis, Vertrautheit und Freiheit. Leo stellt gleich von Anfang an klar, dass es ihm egal ist, wie Emmi aussieht und das er nie mehr von ihr wollen wird, als ihre Buchstaben.
Warum treffen sie sich dann doch in einem überfüllten Messecafé? Warum erkennt Emmi ihn nicht richtig – und warum schaut Leo erst gar nicht hin, sondern lässt sich drei mögliche Emmi-Kandidaten von seiner Schwester beschreiben?
Warum ist Emmi so aufgebracht, weil er wieder Zeit mit Marlene verbringt? Oder abends weggeht, ohne ihr zu sagen wohin.
Das ihr Kontakt mehr ist, als er zu sein scheint, wird beiden bewusst, als Emmi ein Kuppelspiel mit Leo und ihrer Freundin Mia veranstaltet.
Wenn die Gefühle doch nicht nur spielerischer und virtueller Natur sind und wenn die Buchstaben auf Dauer nicht ausreichen, wie soll es dann weitergehen?
Was ist mit dem wundervollen Bernhard, dem Mann von Emmi? Und was ist, wenn all ihre hohen Erwartungen mit dem realen Treffen zunichte gemacht werden?

Das Buch ist klasse! Besser, als ich erwartet hätte. Es ist intelligent und geht unter die Haut. Alle Nebensächlichkeiten sind hier gestrichen, es geht nicht um das Aussehen, nicht um den Alltag, kaum um die Berufe, nicht um Hobbies oder die Vergangenheit.
Es geht um Gefühle, um Männer und Frauen, um Sex, Träume, Gerüche, Intimitäten, gebrochene Herzen, rasende Eifersucht, die Frage nach der Wirklichkeit und um den Nordwind.

Kritikpunkte:

  • Ein Schreibfehler und man landet bei einem Mann im etwa gleichen Alter und in der gleichen Stadt?
  • Anhand des Stils erkennt man leider nicht, welche Email von wem kommt.
  • Briefromane sind mir zu einfach. Mir fehlt das klare Konstrukt eines Aristoteleschen Romans. Die Umwelt, der Geruch des Meeres in der Nase, das Gefühl des weichen Stoffs in der Hand, das leise Poltern in der Küche- alle Sinne, vor allem die Haptik und das Sehen von Dingen, auf die man sich kein Reim machen kann, haben mir gefehlt.

Pluspunkte:

  • Man fühlt mit. Die Eifersucht kriecht in einem genauso böse hoch, die in Emmi- man fühlt sich genauso verloren, wenn es um die Frage geht: „Wie geht es nun weiter?“
  • Die interessanten Charaktere, die sich nur aus dem ergeben was, und vor allem wie sie es schreiben.
  • Die Metaphern, der Witz, die Fähigkeit es wortgewandt auf den Punkt zu bringen, die kleinen versteckten Fragen, die uns alle beschäftigen. Grandios!

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1 Kommentar

  • Antworten lisa Mai 7, 2010 um 10:17 am

    also i find des buch voi kompliziert

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