Um die Trachten ranken sich viele Mythen und Vorstellungen, einige sind wahr, andere wiederum beruhen auf Halbwahrheiten oder sind schlicht und ergreifend falsch. In unserem Artikel wollen wir versuchen, Licht in die Geschichte der Trachten zu bringen.
Wann wurden die Trachten erfunden?
Seit jeher regelten höfische Kleiderordnungen die „standesgemäße Kleidung“ der Bevölkerung, wie zum Beispiel die Römische Kleiderordnung von 1530 Römischer Kayserlicher Majestät Ordnung und Reformation guter Policen, im Heiligen Römischen Reich, zu Augburg Anno 1530 auffgericht. beweist. Ziel war es, „daß sich jeder, wes Würden oder Herkommen er sei, nach seinem Stand, Ehren und Vermögen trage, damit in jeglichem Stand unterschiedliche Erkäntnüs sein mög […]“ Ende des 18. Jahrhunderts wurde dann in verschiedenen Teilen Europas zum ersten Mal über eine Nationaltracht nachgedacht, die regionale Besonderheiten aufnehmen sollte. Der Trend des Volkstums war geboren, und mit ihm die Trachten.
Das Wort stammt aus dem altdeutschen dracht, “das, was getragen wird” und umfasst nicht nur die Kleidung, sondern auch alle Accessoires wie Schmuck, Frisur und Schminke. Der Ursprung der Tracht ist im ländlichen Bereich zu sehen, wo sie die ethnische Herkunft oder die Arbeitskleidung einer Berufsgruppe symbolisiert. Aus dieser wurde dann zu besonderen Festen eine geschmückte, aufwendig dekorierte Variante angefertigt, die Festtags-Tracht, die Pate der heutigen Trachtenmode ist.
Neben dem dekorativen Aspekt erfüllte die Tracht aber noch viele weitere Funktionen: An ihr ließen sich (durch verschiedene Farben und Accessoires) der Herkunftsort des Trägers, seine soziale und wirtschaftliche Stellung, sein aktueller Personenstand und der Trauerstand ablesen. Auch entsprechend des Anlasses gab es verschiedene Trachtenvorschriften.
Trachtenmode und Volksfeste
Wie wir sehen, ist also die Trachtenmode noch gar nicht so alt, wie viele denken. Sie fußt auf der mit der beginnenden Industrialisierung aufkommenden Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ und dem Volkstum, dem „gesunden Landleben“. Dabei wurde das Leben auf dem Lande romantisiert und stimmte wenig mit der Realität der – in jenen Tagen sehr harten – Arbeit auf dem Lande überein. Ein weit verbreiteter Irrglauben ist auch, dass die Trachten und Lederhosen tatsächlich Arbeitskleidung waren. Beide waren nämlich zum Arbeiten völlig ungeeignet, beispielsweise hätte das Leder nach einem Regen mehrere Tage gebraucht, um zu trocknen. Sicher wäre der Lederhosen-Träger mit einer kräftigen Erkältung im Bett gelandet.
Die Trachtenmode war also vielmehr schon immer eine Festkleidung für bestimmte Anlässe, besonders natürlich für Volksfeste. In den Dörfern, später auch in den Städten, wurden zu bestimmten Gelegenheiten volkstümliche Feste organisiert, ein Brauch, der sich bis in die heutige Zeit hält. Typische Anlässe waren zum Beispiel:
• Der Frühlingsbeginn und der 1. Mai – oft auch Anlass zur Präsentation der Novizen und Eheschließungen
• Das Mittsommerfest am 21. Juni
• Der Herbstanfang, an dem Erntedank, Weinernte oder Hopfenernte zelebriert wurden, daraus entstand dann auch das berühmte
• Münchner Oktoberfest, das mittlerweile weltweit gefeiert wird
Viele dieser Feste verbanden Freude und Feiern mit geschäftlichem Handel, man präsentierte landwirtschaftliche Produkte, Pferde und Landvieh, verhandelte Verträge für das kommende Jahr und knüpfte neue kommerzielle Kontakte. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auf dem Münchner Oktoberfest werden jedes Jahr Verträge in mehrstelliger Millionenhöhe geschlossen. Schon immer und auf der ganzen Welt weiß man, dass sich in Feierlaune schneller ein Geschäft abschließen läßt als in einer grauen Büroetage.
Die Entwicklung der Trachtenmode
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebte ein nationalistisch geprägtes Denken in Deutschland einen starken Aufschwung und führte zur Erfindung der Altdeutschen Tracht, die zur sogenannten Volkstracht weiterentwickelt wurde. Stolz auf das Heimatland und Traditionspflege prägten in breiten Teilen der Bevölkerung das Denken. Und auch heute noch zieht es die Leute in die Geschäfte, um im Trachtenshop für die ganze Familie die standesgemäße Trachtenmode zu kaufen.
Den ersten Boom erlebten die Trachten in den nationalistisch geprägten Dreißiger Jahren. Reiche Städterinnen fanden es chic, im „Dienstmagd-Outfit“ zum Urlaub in die Berge zu reisen – allerdings in Luxus-Variante, aus teuren Stoffen geschneidert und mit wertvollem Schmuck kombiniert. Die Operette „Zum weißen Rössl“ sorgte für zusätzlichen Hype, der die Tracht bis in die USA bekannt machte: Am Broadway wurde „The White Horse“ zum Dauererfolg.
Während in traditionsgebundenen Ländern wie Italien oder Spanien große Pflege und Respekt für Uniformen und Volkstrachten herrschten, die nie verlorengingen, kam es aber in Deutschland in der Nachkriegs-Ära und mit den Studentenrevolutionen zu einem drastischen Umdenken. So ist es nicht verwunderlich, das Mitte des 20. Jahrhunderts besonders in deutschen Landen die Trachten vorübergehend aus der Mode kamen. Modernes und zukunftsorientiertes Denken ließen alte Traditionen und Bräuche „aus der Zeit der Großväter“ veraltet erscheinen, man zog es vor, in Jeans und Alltagskleidung Volksfeste zu besuchen.
Dies änderte sich aber schlagartig zur Jahrtausendwende. Mehrere Gründe waren ausschlaggebend dafür, dass die Trachtenmode ein Revival erlebte und einen nie gesehenen Boom erlebte:
• Etwa ab 2000 begannen Jugendliche, in Dirndln Diskotheken zu besuchen. Der Retro-Look galt als cool und war schlagartig „der neueste Hit“ in der Szene.
• Mädchen und Frauen begannen, die Vorzüge eines Dirndls wiederzuentdecken: Der Schnitt kaschiert perfekt Fettpolster in Problemzonen und das tiefe Dekolleté favorisiert auch kleinere Körbchengrößen.
• Nach Jahrzehnten der „Einheitskleidung“ in Freizeit, Theater und Büro kam es wieder in Mode, sich für jeden Anlass und jeden Ort speziell zu kleiden.
• Die Sehnsucht nach „der guten, alten Zeit“ und dem gesunden Landleben einer modernen Industrie-Gesellschaft sorgte für den Boom des „Vintage“- und „Retro“-Trends.
Diese Gründe haben dazu geführt, dass es heutzutage eine nie dagewesene Vielfalt von Trachten gibt. Eigene Modemessen präsentieren jährlich neue Kollektionen, es gibt Trachten für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel, sogar Modelle exklusiv für Touristen in Neonfarben!
Zu guter Letzt nun noch kurz zur Frage: Was ist eigentlich das Dirndl als wesentlicher Bestandteil der Trachtenmode? „Dirnen“ oder „Diernen“ nannte man im 19. Jahrhundert die Mägde, die auf Bauernhöfen in Süddeutschland und Österreich arbeiteten. Sie trugen über dem Mieder ein „Leibgewand“, das allerdings wenig Ähnlichkeit mit dem heutigen, prächtigen Dirndl hatte. Meist aus alter Bettwäsche genäht, diente es als Arbeitstracht für die Arbeit in der Küche, im Stall und auf dem Feld. Ein aktuelles Dirndl, mit dem die modebewusste Frau auf die „Wiesn“ geht, ist dagegen aus teuren Stoffen gefertigt und mit vielen dekorativen Details ausgestattet.
Wir sehen: Die Trachtenmode hat eine lange Geschichte, ist traditionsgeprägt, aber weit davon entfernt, aus der Mode zu kommen!
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