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Joseph Nassise – Der Schattenseher

derschattenseherAuf dieses Buch bin ich durch den Newsletter des PAN Verlages gestoßen, einem recht neuen Ableger des Droemer Knaur Verlages. Zu meiner Zeit gab es lediglich das Genre Fantasy, unter diesem Oberbegriff versammelte sich damals alles, was man sich unter Fantasy vorstellt, ob Magie, Märchen oder eben fantastische Abenteuer. Heutzutage muss alles seine Schublade haben, ein Begriff reicht nicht mehr aus, und so splittet sich mittlerweile das Genre Fantasy unter anderem in die sagenumwobenen Begriffe High Fantasy, Urban Fantasy, Romantic Fantasy.

Als ich letztes Jahr auf den PAN Verlag stieß, war ich neugierig, was es mit diesen neuen so abenteuerlich klingenden Begriffen auf sich hat. Ich vermute, dass diese neue (Ab-) Art, die Dinge noch einmal aufzusplitten, unter anderem durch den Erfolg der Twilight Romane ausgelöst wurde. Fantasy mit Romantik zu vermischen ist nicht gerade neu, auch gab es früher schon Fantasyromane, in denen es etwas deftiger zuging, sprich Erotik und Sex mit Gestaltwandlern, Werwölfen, Vampiren, oder der Highlander, der sich in der Gegenwart manifestiert und die Burgfräuleins mit ihren Black Berrys aufmischt, all das kann man wohl getrost als frühe Anfänge der Urban-, High-Fantasy und Romantic Fantasy zuordnen. Stephanie Meyer hat diese Genres nicht neu erfunden, aber gewiss neu belebt und aus der „verruchten Liebesroman“ Ecke herausgeholt, in der sich vor allem die deftigen Genreableger tummeln. Es scheint mir jedoch ironisch, dass gerade die Twilight Romane diese Aufsplitterung eines Genres und den enromen Zulauf des Romantic Genres verursacht haben, wo doch Stephenie Meyers Romane eher die Keuschheit zur Tugend erheben, als zum erotischen Stelldichein mit Werwölfen, Vampiren und Co. einladen.

Joseph Nassises Der Schattenseher gehört nicht zur Sparte Romantic Fantasy, sondern zu der Urban Fantasy, was so viel heißt wie „Fantasy in der städtischen Gegenwart“, sprich eine Geschichte mit fantastischen Elementen, die in der Gegenwart angesiedelt ist. Die Leseprobe, die leider auf der Webseite des PAN Verlages nicht mehr vorhanden ist (ich konnte sie jedenfalls nicht mehr wiederfinden) klang vielversprechend, und es dauerte nicht lange und ich hatte den Roman unter dem Weihnachtsbaum liegen. Im Nachhinein musste ich feststellen, dass die Leseprobe korrigiert war, etwas, das ich unsäglich hasse: Entweder entnimmt man etwas 1:1 einem Buch und nennt es dann Leseprobe, oder man schreibt den Text um und nennt es anschließend Inhaltsangabe oder Klappentext. Immerhin soll eine Leseprobe, wie schon der Name sagt, eine Probe des Lesetextes widergeben. Korrekturen sind meiner Meinung nach nicht zulässig. Kurioser Weise ist auf der Webseite des PAN Verlages mittlerweile unter dem Begriff LESEPROBE der Buchrückentext aufgeführt (?) Warum ich das alles erwähne? Die Korrektur der Leseprobe war nur geringfügig, gab aber bereits hier ansatzweise wieder, was mich später im Verlauf des verdammt und verflucht noch mal gesamten Textes störte. Aber der Reihe nach.

Der Buchrückentext von Der Schattenseher liest sich wie folgt (www.pan-verlag.de): »Mein Name ist Hunt, Jeremiah Hunt. Seit meine Tochter verschwunden ist, bin ich auf der Suche nach ihr. Die Polizei hat ihre Ermittlungen eingestellt. Aber ich werde niemals aufgeben. Und ich bin bereit, alles zu tun!«
Wer ihm auf der Straße begegnet, hält Jeremiah Hunt für einen Blinden. Doch der Eindruck trügt: Hunt hat bei einem geheimnisvollen Ritual zwar sein Augenlicht geopfert, doch nun kann er sehen, was den Menschen verborgen bleibt: Die Geister der Toten, die sich nicht von der Welt der Lebenden trennen können, und die magischen Geschöpfe, die unerkannt unter uns leben. Endlich findet Hunt so auch eine Spur, die ihn vielleicht zu seiner Tochter führt – oder in den Tod …“

Ich hatte das Buch schnell durchgelesen. Der Schattenseher wird unter dem Begriff „schneller magischer Thriller“ verkauft, und diesem Begriff wird das Buch auch gerecht. Joseph Nassise kann man mit Autoren wie Sebastian Fitzek vergleichen, nur dass hier das Genre Fantasy betreut wird statt der Thriller. Ähnlich wie bei Sebastian Fitzeks Romanen hatte ich bei Joseph Nassises Buch den Eindruck, dass die Story zwar voll rasanter Plots steckt und gut ausgeheckt ist, aber dennoch den Charakteren und der Handlung die nötige Tiefe fehlt. Die Charaktere sind regelrechte Klischees, sie agieren wie Schablonen und Abziehbilder. Der Protagonist Jeremiah Hunt trinkt Whiskey, er ist ein tougher Kerl, er steigt mit Nutten ins Bett und er flucht, was das Zeug hergibt. Ich weiß nicht, wie oft ich auf die Begriffe zur Hölle mit meinem Selbstwertgefühl, verdammt nochmal oder zum Teufel gestoßen bin. Alles in allem beschlich mich die ganze Zeit über das Gefühl, Jerry Cotton durch Phantasialand zu begleiten.

Der Aufhänger des Buches – die Suche nach Jeremiah Hunts verschwundener Tochter – schien mir lediglich ein Motiv, um Jeremiah Hunts Beweggründe zu erklären und aufzuzeigen, was aus dem Menschen Jeremiah Hunt geworden ist. Der wirkliche Antrieb der Geschichte sind einige Mordfälle und nicht der Aspekt der verschwundenen Tochter. Josephs Nassises Schreibstil ist klar und sauber, keine verschachtelten Sätze, was das Lesen erleichtert und wahrscheinlich charakteristisch für schnelle Thrillerliteratur ist, jedoch entbehrt das Buch dadurch auch bildhafter Sprache. Mit der Wahl der Verben hat man sich nicht wirklich überworfen: er ging, er machte, er sagte, er fuhr. Hier konnte ich nicht wirklich sprühende, bunte Elemente antreffen, dafür gab es gerne mal abgedroschenes wie „er war wild entschlossen“ oder Adverbverschleiß wie „er sagte zähneknirschend“. Aua, sag ich da nur.

Das Buch lässt meiner Meinung nach zur Mitte und zum Ende hin deutlich nach. Anfangs wird sich mehr Mühe gegeben, die Umgebung der Handlungsorte aufzuzeigen, es wird der Handlung Raum gegeben, sich zu entwickeln, später dürfen Willkür und das allgegenwärtige Quäntchen Glück zuschlagen – ob die unglaubwürdige Flucht mit einer Geisel aus einer Polizeistation (9/11 hat anscheinend nie stattgefunden), die Suche nach einem Geheimeingang zu einer Villa, der im Handumdrehen entdeckt wird oder der Kampf eines blinden Mannes gegen das Böse -, alles wirkt merkwürdig inszeniert und die Handlungsstränge geben sich die Türklinke in die Hand. Zeitweise hatte ich das Gefühl, einem schlechten Science Fiction Film beizuwohnen: Der Zuschauer rauft sich die Haare angesichts des Gleichmuts der teilhabenden Protagonisten über die Existenz der Ufos und der Aliens (in diesem Fall Gestaltwandler und Hexen). Keiner der Protagonisten stellt auch nur einmal die magischen Aspekte und die merkwürdigen Gestalten in Frage, alles ist zum Teufel nochmal verdammt normal.

Fazit von Joseph Nassises Der Schattenseher: Die neuen Fantasyreihen schmücken sich mit wundervoll gearbeiteten und geprägten Covern und brauchen sich hinter ihren ebenso kunstvoll daherkommenen Verlagsseiten nicht verstecken, doch der schöne Schein ist nicht alles. Bei einem schnellen Thriller, sprich bei einer leichten Kost für die tägliche Bahnfahrt oder den Urlaubstag am Strand erwarte ich keine tiefgründige Handlung oder Dialoge, ich ziehe die Pizza dem Drei Gänge Menü vor – aber etwas mehr Käse auf dem Belag darf’s trotzdem sein …


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3 Kommentare

  • Antworten sevda Januar 12, 2010 um 2:53 pm

    Ich kann das was du sagst absolut nachempfinden und finde es klasse, wie du es auf den Punkt bringst.APlaus von meiner Seite!!

  • Antworten Natira Januar 12, 2010 um 10:56 pm

    Schon bei anderer Gelegenheit habe ich bemerkt, daß ich bei Fantasy und Mystery nicht „so streng“ bin wie mit Gegenwartsliteratur 😉 So hoffe ich auch hier, daß ich mehr über Hunt und seine Entwicklung zum Schattenseher in den folgenden Teilen – z.B. durch Rückblenden – erfahren werde. Ähnlich verhält es sich mit den Fragen zu den magischen Aspekten, die Du ansprichst. Hunt und Clearwater haben diese Fähigkeiten, ich setze die Magie – wie diese beiden – als existent voraus und nehme sie hin…“Schattenseher“ habe ich wie Du flott gelesen, Stil und Sprache hat mir ebenfalls zugesagt (ob nun die Übersetzerin etwas uninspiriert bei den Verben war oder der Autor kann ich nicht sagen, allerdings sprangen mir die Verben auch nicht ins Auge).

    Subjektive Wahrnehmung halt… Auf zur nächsten Pizza! 🙂

  • Antworten eliterator Januar 13, 2010 um 1:34 pm

    Danke für die durchaus kritische Rezension, die auch dem angehenden Autor einige hilfreiche Tipps zur Hand gibt..

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