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„Eine Fußgängerzone ohne Buchladen wäre gruselig“

Warum brauchen wir Buchhändler? Was sollte dieser drauf haben – und wie sollte seine Buchhandlung aussehen? Wie einige von Euch wissen, habe ich mir in der Vergangenheit dahingehend einige Gedanken gemacht und bin noch immer dabei MEINE Buchhandlung zu finden, die eine eben, die all das hat, was sich eine begeisterte Leseratte wünscht.

Aber wie sieht die andere Seite aus? Was halten die Buchhändler selbst für wichtig, wo sehen sie Probleme und Handlungsbedarf und wie stehen sie zu den hohen Ansprüchen ihrer Kunden? Um das herauszufinden, habe ich mir vorgenommen mit einigen Buchhändlern zu sprechen.

Den Auftakt macht Sarah, Buchhändlern im Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau und Bloggerin auf zimtfisch.net.

Hallo Sarah. Wie sieht der perfekte Buchhändler für Dich aus?

Es gibt viele tolle Kollegen. Für mich macht einen guten Buchhändler vor allem Kompetenz aus – und auch, das er sich nicht als allwissend betrachtet, sondern mit allen Mitteln, also Bibliographie, Libreka (Volltextsuche), Google arbeitet und sich nicht den neuen Medien verschließt. sarahEr muss sich begeistern können, für ein Buch schwärmen, neugierig machen können, gut erzählen und immer mal etwas im Gespräch aufnehmen, sei es die spezielle Herkunft des Autors oder Feinheiten des Genres. Ein guter Buchhändler muss zuhören können und genau erfragen können, welches Buch gewünscht ist, welche Vorstellungen der Kunde hat. Wichtig & großzuschreiben ist auch Freundlichkeit und Service – der Kunde sollte immer zufrieden und gut beraten aus dem Laden gehen, ob er jetzt eine langwierige, literarische Rechercheanfrage hatte, einen Manga gekauft oder ein Schulbuch bestellt hat.
Ein guter Buchhändler ist derjenige, zu dem die Kunden begeistert zurückkommen und sagen „Empfehlen Sie mir noch mal etwas, das letzte Buch war klasse!“

Gibt es denn überhaupt noch DEN Buchhändler, der dem romantischen Bild einer leidenschaftlichen und herzlichen Leseratte entspricht?

Buchhändler ist ja, auch wenn das trotz der eindeutig im Wort vorhandenen Beschreibung „Händler“, selten vermutet wird, vorallem ein kaufmännischer Beruf. Da steckt im Hintergrund viel Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und Büroarbeit. Kein Buchhändler liest den ganzen Tag, schon gar nicht in der Arbeitszeit, das ist wirklich ein beliebtes und oft benutztes Klischee. Buchhändler sind oftmals auch fest mit dem kulturellen einer Stadt verbandelt, verstehen sich als Organ zwischen Kunde und Literatur, als Vermittler. Aber es gibt Buchhändler, die zwar auch alle obigen Dinge tun, aber trotzdem Nächte durchlesen, Bücher lieben und sie mit Leidenschaft verkaufen – weil sie diesen Teil als den schönsten und erfüllensten empfinden. Ich bin eine davon. Alle anderen Dinge sind der Grundstock für einen guten Buchhändler. Aber die Leidenschaft und Liebe zu Büchern und dem geschriebenen Wort, die macht eben „das gewisse Extra“. Und Buchhändler ist auch klar ein Beruf der „wächst“ – je älter und erfahrener im Beruf man wird, desto mehr kann man diese Erfahrung teilen, schätzt Bücher anders ein, kann auf viele gelesene Werke zurückblicken und wird so immer mehr zum Buchliebhaber. Von meinen Kolleginnen, über 20 Jahre im Buchhandel oder meinem Chef, der seit 30 Jahren diesen Laden führt, kann ich jeden Tag lernen.

Denkst Du, dass immer weniger Menschen zum Buch greifen?

Ja, weil es mittlerweile so viele andere Möglichkeiten gibt. Es ist ja nicht nur der Fernseher, es ist die WII, der Laptop, das Internet, Spiele…es gibt einfach wahnsinnig viele Möglichkeiten und immer noch genauso viel Zeit wie vorher. Wer sich das nicht einteilt, der bleibt gerne „hängen“. Es ist leider oft so, dass Bücher weit nach anderen Freizeitgestaltungen kommen. An der aktuellen Literatur liegt es nicht, da gibt es einen Haufen Perlen und Schätze.

Wie könnte man dem entgegen wirken?

Das empfinde ich als eine schwierige Frage. Schließlich sind sehr viele Menschen mit 10 gelesenen Büchern im Jahr völlig zufrieden. Am meisten liest man, wenn einen die Geschichte fesselt und interessiert. Das ist eigentlich der Schlüssel für alle angehenden Leser. Das muss man fördern, indem die Leute Bücher an die Hand bekommen, wo genau das passiert (durch gute Beratung!) Die Zeiteinteilung, das muss jeder für sich ändern. Vielleicht würde es auch helfen, Lesen mehr als „Hobby“ zu begreifen und nicht nur abends ein paar Seiten vor dem Schlafengehen oder im Urlaub.

Die Verlage und Buchhandlungen sehen sich von der Wirtschaftskrise betroffen. Wie siehst Du das? Empfindest Du es persönlich so, dass die Nachfrage gesunken ist?

Ganz sicher merkt auch die Buchbranche die Wirtschaftskrise. Sicherlich nicht so eklatant wie andere Branchen, aber doch, es wird schon gekämpft. Was wir auch merken, es werden deutlich weniger Hardcover gekauft, die Leute nehmen Bücher schon durchaus als „Luxus“ wahr, der wenn das Geld knapp ist, etwas eingeschränkt werden muss.

Und was hältst Du dann von Preiserhöhungen oder von dem Vorhaben der Verlagsgruppe Lübbe, die für den neuen Dan Brown einen Preis von 24,99€ ansetzen. (zum Vergleich, der alte schlug mit 19,90€ zu Buche).

Da muss man sicherlich sagen – wenn mit etwas Geld zu machen ist, dann wird es gemacht. Der neue Precht „Liebe“ kam ja im Gegensatz zu „Wer bin ich und wenn ja wieviele?“ auch gleich als Hardcover raus, statt als Softcover, genauso war es mit Hirschhausen. Wenn etwas läuft, dann steigt der Preis, das ist normal. Insgesamt und persönlich empfinde ich Bücher eigentlich als gemäßigt „teuer“. Ich halte da als Beispiel gern entgegen – man bekommt ein schönes Buch, gut gebunden bzw. geklebt, die Seiten bleiben drin, die Cover sind zum Großteil toll – im Gegensatz zu vielen amerikanischen (billigeren) Büchern, die man kaum aufblättern kann, wo die Seiten rausfallen, der Buchrücken sofort einen Knick hat, die Cover wahnsinnig überladen sind – da bezahle ich gerne mehr.

Was muss eine Buchhandlung bieten, um sich einzigartig zu machen?

Sehr guten Service, auch ungewöhnlichen. Dinge, die der Kunde nicht erwartet (aus 6 Geschenkpapier auswählen dürfen statt eines, einen Kaffee-Gutschein fürs Bistro gegenüber bei Großeinkauf), nette Beilagen, kreative Dekorationen. Erinnern an den Kunden, den Geschmack seiner Stammkunden kennen. Ungewöhnliche Aktionen (wir machen „Spätlese“ und schließen Leute nachts in der Buchhandlung ein. Wenn wir unseren Betriebsausflug machen, bedienen bei uns einen Tag lang die Kunden.). Verlässlich sein (!). Kompetenz zeigen. Immer mal wieder etwas Neues bieten, nicht auf der Stelle treten. Und vor allem – herzlich sein und Atmosphäre schaffen. Die Kunden müssen sich wohlfühlen und gerne kommen.

Und wie sollte Deiner Meinung nach ein tolles Buchsortiment für eher kleinere Buchhandlungen aussehen? Bist Du der Meinung, dass die Ausstattung mit allen Bestsellern ein Muss ist?

Kommt immer ein bisschen darauf an, wo die kleine Buchhandlung liegt. Das Sortiment in einer Touristadt unterscheidet sich maßgeblich von dem einer Uni-Stadt. Für mich macht es die Mischung und vor allem – das die Buchhändler sich in dieser Mischung auskennen. Eine gut sortierte Belletristikabteilung, Krimis, Geschenkbuch, Kinder und Jugendbücher sind immer ein guter Grundstock. Dann würde ich persönlich ein kleines, feines Sortiment an Nonbooks (nette, buchaffine Spielereien) anbieten und einige Warengruppen spezialisieren (Psychologie, Pädagogik, Comics je nach Schwerpunkt). In einer kleinen Buchhandlung kann man nicht „alles“ dahaben und das ist auch nicht das Konzept. Klar hat man seine Renner, auch die Bücher der Bestseller-Liste, aber wir haben lange nicht alle lückenlos vorrätig. Wir machen lieber unsere eigenen Bestseller und Geheimtipps, legen kleine Empfehlungszettel in die Bücher, handgeschrieben – persönlich eben. Denn das ist es, wofür unsere Kunden uns schätzen! 10er-Stapel sucht man bei uns vergebens.

Müssen Buchhändler Kundera, Gier und Gaiman, um mal wahllos einige zu aufzuzählen, kennen? Oder sollte es ausreichen, dass sie die Namen fehlerfrei in Ihren Rechner tippen?

Eine gewisse Grundbildung der Literaturgeschichte bekommen die Buchhändler ja in ihrer Berufsschulzeit. Am allermeisten lernt man jedoch in „der freien Wildbahn“, sprich, im Laden. Man lernt jeden, jeden Tag dazu, man liest selbst, man spricht mit den Kollegen, Branchenpresse, Verlagsvorschauen. Es gibt einen netten Spruch, der sehr gut passt „Das Wissen eines Buchhändlers ist fußballfeldgroß, aber nur spatentief!“. Man kann nicht alles wissen und sicher nicht jeden Autoren kennen und gleich richtig schreiben, grade in der Ausbildung hatte ich da auch selbst einige nette Episoden…danach wusste man dann für immer, wer der Autor ist, welches Genre und wie man ihn schreibt. Als Buchhändler muss man sehr viel Wissen speichern, es macht aber auch Spaß. Man ist immer dabei „am Ball zu bleiben“.

Schaust Du Dich ab und zu mal bei Konkurrenzgeschäften um – und wenn ja, fallen Dir die Mitarbeiter dort eher positiv oder negativ auf?

Sicher, man schaut immer gerne mal, wie die anderen es machen und knüpft ja auch unter Buchhändler Kollegen Kontakte. Ich kann nur sagen: es gibt überall, egal ob große, kleine, mittelständische Buchhandlung, super Kollegen und eben schwarze Schafe. Zurzeit tun mir die Mitarbeiter der großen Ketten leid, die immer mehr Fläche alleine betreuen müssen – zeitlich kaum zu schaffen und beratungstechnisch eine Katastrophe – da kann der Buchhändler noch so gut sein, wenn einem die Zeit fehlt, hat man keine Chance. Dafür können aber nicht die Buchhändler etwas, sondern die Chefetagen, mit ihren Kürzungen! Worauf ich immer achte, ist Freundlichkeit, das ist mir sehr wichtig. Und ich schaue immer auf die Deko und Präsentation, da ich das bei uns betreue, liegt da immer mein Augenmerk drauf 😉

Immer mehr Menschen bestellen Ihre Bücher in Onlineshops. Die Kundenmeinungen nehmen den Platz von Beratung ein und das Buch kommt automatisch zu einem nach Hause. Was hat eine Buchhandlung, was Amazon und Co. nicht haben? Warum ist es wichtig die Buchhändler zu unterstützen?

Zunächst mal hat eine Buchhandlung im besten Fall natürlich Atmosphäre. Man kann den Blick schweifen lassen, kommt vielleicht so zu Büchern, die man sonst gar nicht gezielt online gesucht hätte. Man kann die Bücher anfassen, reinlesen, sich einen Stapel zusammensuchen und seine Buchhändlerin um Rat fragen. Natürlich ist es nicht immer so, aber es kommt doch recht häufig zu einem netten Schnack über gemeinsame Lieblingsautoren, Vorlieben, Literatur. Ich schätze ein gutes Verkaufsgespräch immer sehr, wenn ich einkaufen gehe. Ich kann alle meine Fragen direkt stellen, kann Pro und Contra abwägen – ohne vorher E-Mails hin und her zu schicken. Und am Ende gehe ich mit meiner vollgefüllten Tüte aus dem Laden – ein Glücksgefühl! Wer nun immer noch von den Onlineshops schwärmt – sehr viele kleinere Buchhändler haben mittlerweile selbst Online-Shops – man könnte also durchaus mal schauen, ob man nicht den kleinen Buchhändler vor Ort unterstützen möchte, statt Amazon. Die Bücher kosten dasselbe ;-). In unserem Laden ist dieser Shop sehr rege genutzt, von Stammkunden, die ihr Buch online bestellen und abholen, aber auch von Kunden aus ganz Europa. Für uns ist es grade wegen Amazon und Co. wichtig, online präsent zu sein – das Rundumpaket eben. Wir haben unsere Website seit 10 Jahren und pflegen sie genauso wie unser Ladengeschäft.
Warum es wichtig ist, den Buchhändler zu unterstützen? Damit sie weiterhin existieren können. Denn ohne Unterstützung, kann kein Buchladen überleben. Grade auch die „Kleinen“ nicht. Für die macht jeder Kunde einen Unterschied. Für mich ist die Vorstellung einer Fußgängerzone ohne Buchladen einfach gruselig.

Vielen Dank für dieses ausführliche Interview!

Zum weiterlesen findet Ihr hier alle lillyberry-Artikel zum Thema Buchhandlungen:

Oder auch drüben auf libromanie:

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4 Kommentare

  • Antworten Nina September 14, 2009 um 8:24 pm

    Wow, vielen Dank für das ausführliche und vor allem sehr sympathische Interview! Genau so eine Buchhändlerin hätte ich gerne auch hier um die Ecke.
    (Danke auch für den Verweis auf meine Seite, auch wenn ich – peinlicherweise – aktuell noch keine Buchhandlung ausgiebig getestet habe, weil mein Buchkaufverbot und das regelmäßige Eintrudeln von Rezensionsexemplaren mich zZ irgendwie daran hindern.)

  • Antworten Emily September 14, 2009 um 9:39 pm

    Das war ein tolles Interview, bei Sarah würde ich auch gerne einkaufen. 🙂 Ich mag ja ihren Blog schon sehr gerne, mit kurzen aber aussagekräftigen Leseeindrücken. Sollte ich mal in Hanaus sein, schaue ich garantiert in der Buchhandlung vorbei.

  • Antworten Nancy September 15, 2009 um 8:19 am

    Wirklich ein tolles Interview 🙂

    Ich empfinde es auch so, dass in einem Buchladen eine ganz eigene Atmosphäre herrscht, besonders natürlich in den kleineren. Man kann einfach mal stöbern und nach links und rechts in die Regale schauen, Klappentexte lesen und nimmt am Ende auch unbekannte Autoren mit nach Hause. Das wird bei den großen Online-Versandhäusern nicht bzw. selten passieren; zwar habe ich den Hinweis darauf, was andere gekauft haben, aber ich brauche immer einen Einstieg, eine Suchanfrage z.B. nach dem Lieblingsautor etc. Und so tritt man am Ende auf der selben Stelle.

    Und wer mal ein amerikanisches Taschenbuch in der Hand hatte, weiß deutsche TB und Hardcover durchaus zu schätzen – lose Seiten beim ersten Lesen, dünnes und schnell reißendes Papier, auf die Finger abfärbende Druckerschwärze… so macht Lesen weniger Freude :-/

    Gut, wenn man eine Buchhändlerin in einem kleinen Lädchen auch Freundin nennen darf (wie ich ^.^) *hihi* – support you local book dealer 😉

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