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Anne Holt – der norwegische Gast

Das Licht der Schneedecke wurde in meinen Tränen gebrochen, die wie kleine Wasserprismen an meinen Wimpern hingen. In dieser Kanonade aus Licht glaubte ich zu sehen, dass jede einzelne Schneeflocke regenbogenfarben war. Alles um mich herum erstrahlte in kleinen Farbblitzen, die verschwunden waren, noch ehe ich sie richtig zu fassen bekam.

Norwegen. Es ist eiskalt. Tödliche Kälte. Ein Orkan mit unbeschreiblichen Ausmaßen tobt durch die Berge, reißt alles mit sich, was nicht fest im Boden verankert ist.

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Die Insassen eines verunglückten Zuges hatten Glück. Ganz in der Nähe befindet sich das Finse 1222, ein gemütliches Berghotel, was all die überlebenden Menschen gastfreundlich aufnimmt. Die Stimmung ist ausgelassen, fast schon euphorisch- denn bis auf den Lokomotivführer haben alle den Unfall – bis auf wenige Blessuren – heil überstanden.
Einzig Hanne Wilhelmsen, ehemalige Polizeikommissarin, traut der Idylle nicht.
Leicht schwerhörig und, nach einer Schießerei, auf den Rollstuhl angewiesen weigert sie sich den Rezeptionsbereich zu verlassen, ekelt freundliche und hilfsbereite Menschen von sich fort und überschafft sich einen Überblick aller Gäste.
Das Getuschel, dass sich die Königsfamilie inklusive Sicherheitskräfte mit an Bord befand, geht ihr auf die Nerven und verstärkt ihre Abseitsposition weiterhin. Die stille, unsoziale Beobachterin, von der nur wenige Leute Notiz nehmen.

Erst eine Nacht ist vergangen und ihr ungutes Gefühl sollte sich bewahrheiten. Ein Toter wird gefunden. Erschossen. Die Hotelchefin, ein kleinwüchsiger Arzt und ein unkomplizierter Anwalt, der mehr Bergmensch und Überlebenskünstler ist, bilden ein Team, welches das weitere Vorgehen bespricht.
Auf keinen Fall soll riskiert werden, dass die Masse aufgestachelt wird, mit ihrer Anführerin Kari Thue, eine bekannte Journalistin mit rechtsradikalen Einstellungen brodelt sie ohnehin schon vor Angst und Ungeduld.
Und der Sturm nimmt weiter zu. Unheimliche Geräusche und zerschlagene Fenster zerstören allmählich die gemütliche Wohlfühlatmosphäre. Wird das Gebäude den Belastungen der Natur standhalten?
Lange kann man darüber nicht nachdenken, denn schon findet man den nächsten Toten und Hanne kommt langsam der Verdacht, dass sich ein Terrorist unter ihnen befindet.

Eine spannende Geschichte zwischen Hunden, eine gemischte norwegische Gesellschaft mit geringem Ausländeranteil, mysteriösen und dunklen Teenies, Kirchenmitgliedern, Anführerin, Ängstlichen, Kriminellen und einer unberechenbaren Naturgewalt.

Bis zum Schluss gibt es keine eindeutigen Anzeichen, wer der Mörder sein könnte. Die Leser sind genauso in diesem Puzzlespiel von Taten und Motiven integriert, wie die Gäste des Hotels.
Zwischen wohligen Gesprächen, heißen Getränken und zugeschneiten Fenstern betrachtet man das Geschehen durch die Augen der in sich zurückgezogenen und zynischen Hanne.

Die Personen sind mit vielen Details versehen – von schleimigen Spuren in Mundwinkeln bis hin zu widerlichem Körpergestank wird nichts ausgelassen.
Was die Angst mit den Menschen anstellt, bringt die Autorin eindrucksvoll auf den Punkt: es ist wie eine Kriegssituation. Nur wenige bewahren Ruhe und stellen sich als hilfsbereite, empathische und freundliche Mitmenschen dar.

Ein wenig Liebe und Zärtlichkeit hat mir gefehlt. Nicht, dass das in jedem Buch eine Rolle spielen sollte, aber die Atmosphäre war wie geschaffen dafür.
Was die Nebenhandlung der angeblichen Terroristen sollte, habe ich nicht ganz verstanden. Teilweise hat es ja schon etwas Spannung ins Geschehen gebracht – aber die Auflösung empfand ich nicht als Befriedigung.

Trotzdem ein Buch, dass sich lohnt. Etwas zu wenig Handlung für meinen Geschmack – aber doch eindeutig spannend.

Und das beste Detail hat die Autorin zum Schluss preisgegeben: Das Finse 1222 ist ein real existierender Ort. Es ist spannend Bilder auf google mit seiner Phantasie abzugleichen. Wenn man merkt wie nahe die eigene Vorstellung den wirklichen Bildern kommen, dann weiß man, dass die Autorin ganze Arbeit geleistet hat: www.finse1222.no

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2 Kommentare

  • Antworten Eva August 30, 2008 um 12:02 pm

    Die Leseprobe bei vorablesen.de hat mir sehr gut gefallen, ich habe das Buch aber leider nicht bekommen. Vor allem die Ex-Kommissarin fand ich interessant, ich mag schwierige Charaktere 😉

  • Antworten KK 296: Sammelrezension Klüpfel/Kobr, Holt | Krimikiste – Der Krimi-Podcast mit Lese- und Hörtipps Dezember 13, 2009 um 7:05 am

    […] und Lightdancer. ++ Besprechungen von “Der norwegische Gast” in den Blogs von Buchtips, Lilly Berry, Liisa, Tinkerbell, Auglia, Nomadenseele, Papiergeflüster. ++ pp_flashembed( […]

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